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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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nicht verlassen, da rollt Tom schon wieder unter den Roadster, erneut hämmert er gegen die Achsen, die ganze Konstruktion wackelt bereits bedrohlich.
    Kaum bin ich bei meinem Golf, da – kracht es auch schon. Ich gehe ein paar Schritte zurück, um schnell noch einen Blick in die Werkstatt zu werfen: Reglos ragen Toms Beine unter dem MG hervor, nur ein Fuß zuckt noch. Der Kran ist umgekippt, seine Spitze hat sich in die Motorhaube gebohrt. Schnell weg hier. Ich verfrachte MacLeod auf die Rücksitzbank und haue ab, Vollgas und weg!
    Wenn er heute wieder aufersteht, krieg ich endgültig einen Affen.
    Auf Höhe der alten Dorfschänke fange ich an, nachzudenken: Wie viel mag so ein altes Auto wohl wiegen? Reicht das Gewicht aus, um einen Mann zu erdrücken, was hatte das Zucken zu bedeuten? Ich hätte nachsehen sollen, ob Tom auch wirklich tot ist. Was, wenn er nur schwerverletzt ist, wenn er unter dem Wagen liegt und leidet, röchelnd, mit zerquetschten Rippen; wenn er langsam und qualvoll unter Schmerzen dahinsiecht? Er könnte auch bleibende Schäden behalten, behindert sein für den Rest des Lebens. Niemand hat so etwas verdient, auch nicht mein Ehemann, egal was war!
    Bremsen – jetzt! Zurück zur Werkstatt!
    Ich wende. Die Kurve an der alten Dorfschänke geht im zweiten Gang auch mit 70, und beim Abbiegen mache ich um ein Haar das Ortsschild platt. Der Motor ist kaum aus, da bin ich auch schon aus dem Auto, die alte Holztür zur Werkstatt reiße ich fast aus den Angeln. Wo ist mein Mann?
    Wo schon? Unter dem Auto. Er rollt hervor, als wäre nichts gewesen, und schaut mich verwundert an: »Schon wieder da? Hast du keinen Kuchen bekommen?«
    Tom hat nicht mal ne Beule, der Roadster auch nicht. Vorhin aber waren beide hin, da bin ich mir ganz sicher.
    »Nicole …? Ist was?«
    Ich steh hier wie blöd und glotze, aber es gelingt mir, die Fassung wiederzugewinnen.
    »Sorry. Was ich fragen wollte: Obstkuchen oder Puddingteilchen?«

32
    Ja ja, schon klar, zwischen Himmel und Erde soll es viel mehr Dinge geben, als unsere Weisheit sich jemals träumen lässt. Bisher habe ich über solche mystischen Anwandlungen immer nur müde gelächelt. Aber wer weiß, vielleicht wurde John F. Kennedy wirklich nicht von diesem verrückten Lagerarbeiter oder der CIA getötet, sondern von John Wayne; der elektrische Dosenöffner wurde von Außerirdischen auf die Erde gebracht; die Mondlandung wurde bei meiner Oma im Garten gedreht, und ich sollte mir die Haare ab sofort nur noch bei Vollmond schneiden lassen. Willkommen in der Welt des Unglaublichen.
    Ich kann nicht einschlafen, zum wievielten Mal? Warum muss ausgerechnet mir so was passieren, das ist nicht fair; ich hatte nie einen Hang zur Esoterik, mein Horoskop lese ich nur sporadisch beim Friseur, die spirituelle Wirkung von Heilsteinen bemesse ich in Karat, und mit Feng Shui habe ich nichts mehr am Hut, seit ich mal auf Ko Samui in der Hotellobby den Zimmerspringbrunnen umgerannt habe, der stand im Weg. Ich halte mich für eine moderne, aufgeklärte Frau, aber mein Mann ist einfach nicht totzukriegen, das ist Fakt. Kaum schau ich weg, lebt er wieder. Was – ist – das? Kann ich ihn umbringen, wann ich will? Na dann – her mit der Pistole. Sie liegt immer noch in seiner Nachttischschublade. Ich stehe auf, schleiche leise ums Bett und hole sie raus, ziele auf Toms Kopf und drücke ab. Dann knie ich mich vor ihn auf die Ecke unseres Bettes und feuere so lange, bis das ganze Magazin leer ist. Der Lärm hallt von den Wänden wider, jeder Schuss reißt ein tiefes Loch in die Daunendecke und schüttelt Toms Körper durch, die Federn werden in die Luft gewirbelt und sinken nun wie ein wildes Schneegestöber herab. Das ganze Zimmer ist verwüstet.
    Tom liegt schlapp da, toter geht’s nicht. Im Erdgeschoss bellt MacLeod sich die Seele aus dem Leib, der Arme muss viel mitmachen in letzter Zeit, hoffentlich fängt auch für ihn immer alles neu an. Mir ist kalt, die Bettdecken sind nur noch Fetzen. Fröstelnd lege ich mich ins Bett, versuche mich zuzudecken und warte ab. Was wird passieren?
    Wieder ist Tom putzmunter aufgewacht, wie jeden Morgen hat er sich rasiert, angezogen und die Finger an der Espressomaschine verbrannt; das Ding ist für ihn gefährlicher als jeder Schuss aus der Pistole. Soll ich nun endgültig an höhere Mächte glauben, oder lass ich mich gleich einweisen? Auf der nach oben offenen Skala der Bekloppten würde ich mich aber trotz allem noch im unteren

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