Nicht Totzukriegen
auf einen kleinen Wirtschaftsweg zu fahren. Ich stelle den Motor ab, steige aus und lasse MacLeod vom Rücksitz.
Fast hätte ich vergessen, wie ruhig und idyllisch es hier oben ist, solange die beiden Meisterschrauber nicht laut über eine festgefressene Kontermutter fluchen oder den halben Landstrich mit stinkendem Kriechöl einnebeln. Der Blick reicht über Hügel und Felder hinweg weit in die Ferne. Früher bin ich fast jeden Samstag Tom gefolgt, ich habe Kuchen mitgebracht oder ein Picknick arrangiert, gemeinsam haben wir Ausflüge unternommen zu den Burgen in der Umgebung oder einer alten Mühle. Doch dafür fehlt, seit wir das Haus haben, meistens die Zeit. Ich habe mich darum gekümmert, dass wir es schön haben.
Vorsichtig schiebe ich die alte Holztür auf und schaue in die Scheune, zunächst sehe ich niemanden, aber ich höre, wie Tom arbeitet. Er liegt unter seinem Roadster, den er an den Haken genommen hat, nur die Beine schauen hervor, er rüttelt und schraubt dort unten, dass der Wagen wackelt. Die provisorische Hebebühne, die die beiden Kerle sich aus einem Montagekran und zwei Ketten gebastelt haben, hat mir seit eh und je Angst eingejagt. Womöglich würde sie ausgerechnet dann zusammenbrechen, wenn einer der Männer unter dem Auto liegt.
Tom hat es mir mehrfach zu erklären versucht: Eine echte Hebebühne ist zu teuer und zu groß für die Garage, sie passt nicht unter die Decke, die auch zu morsch ist, um daran einen Flaschenzug zu befestigen; und die Autos auf dem welligen Untergrund aufzubocken wäre noch viel riskanter, als sie an den Haken zu nehmen. Sie könnten kippen. Meint Tom.
Ich habe jedes Mal gesagt: »Wie wäre es mit
lassen
?« Oft genug habe ich gewarnt, wie gefährlich die Konstruktion ist, jedes Mal lautete die Antwort: »Passiert schon nix.« Warum nur zelebrieren Männer geradezu ihren Leichtsinn? Fühlen sie sich dadurch besonders heldenhaft, ist es uncool, vernünftig zu sein? Wie kann ein Geschlecht, das so fahrlässig mit seiner Gesundheit umgeht, auf der anderen Seite Schutzschalter, Kindersicherungen und Airbags erfinden? Wollen sie wirklich die Gefahren vermeiden oder nur, dass wir Frauen Ruhe geben?
Ich stelle mich in meinem Sommerkleidchen neben ihn und gönne ihm damit einen hübschen Blick auf meine Beine.
»Na, geht’s voran?«
Tom schreckt hoch und knallt mit dem Kopf von unten gegen den MG , dann schnellt er mit dem Rollbrett, auf dem er liegt, unter dem Wagen hervor. Ihm entgleisen die Gesichtszüge.
»Nicole, was machst du denn hier?«
»Damit hast du nicht gerechnet, oder?«
»Ja. Nein. Schön, dass du da bist«, stammelt er und wird ungewohnt hektisch, »ich muss nur kurz telefonieren wegen … wegen der … der … Gelenkwelle! Mit Johannes.« Er nimmt sein Handy von der Montagebank und verschwindet nach draußen.
Mit Johannes, is klar. Dreimal darf ich raten, mit wem er draußen spricht und weshalb er sie davor warnt, herzukommen. Wäre auch zu ärgerlich für ihn, wenn ich hier auf seine Geliebte träfe. So eilig, wie er es hatte, dürfte nur wenig gefehlt haben. Aber es dauert offenbar ein Weilchen, die Gespielin abzuwimmeln. Na ja, während er Yvonne wegschickt, kann ich schnell einen Blick auf die hirnverbrannte Konstruktion mit dem Kran und den zwei Ketten werfen, die den MG oben hält.
Die Gefahr besteht darin, dass das Auto wegrollen könnte, dann würde er die Kette nach hinten ziehen, und der Montagekran würde kippen. Der Wagen fiele herab und würde alles zerquetschen, was darunter liegt.
Aber was verhindert, dass der Wagen ins Rollen kommt? Die angezogene Handbremse und zwei Hölzer, die als Keil unter den Hinterreifen liegen, mehr nicht. Aha! Es ist nur ein Griff in den Innenraum, schon ist die Handbremse gelöst, der Roadster bewegt sich ein paar Millimeter nach hinten und die Reifen stemmen sich gegen die Hölzer. Mal sehen, wie lange die der Belastung standhalten.
»So, Johannes weiß Bescheid. Wegen der Gelenkwelle. Bisschen … kompliziert.«
Tom hat seinem Schätzchen wohl nicht auf Anhieb vermitteln können, dass es besser für sie beide ist, wenn sie wegbleibt; für mich kein Problem, ich habe die Zeit kreativ nutzen können. Und damit ich, wenn’s ihn erwischt, nicht dabei sein muss, schlage ich vor, für uns im nächsten Ort Kuchen zu holen, wie wär’s, zum Samstagnachmittagskaffee? Tom ist begeistert, prima Idee, findet er, also nehme ich MacLeod wieder an die kurze Leine und gehe. Ich habe die Werkstatt noch
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