Nicht Totzukriegen
habe, zwar etwas nachgedunkelt, aber er ist immer noch da. Nichts, was ein guter Maler nicht binnen eines halben Tages beheben könnte, vielleicht sogar ohne Rechnung. Andererseits hatte ich mir genau an der Stelle immer schon ein Bild gewünscht, und wenn es groß genug ist, könnte es den Fleck verdecken. Die Alternative wäre, einfach den Fleck zu rahmen, hätten wir früher so gemacht, aber die Zeiten kreativer Scherze in der Wohnungseinrichtung sind mittlerweile passé, aus dem Alter sind wir raus.
Neulich habe ich in einer Galerie zufällig einen Kunstdruck entdeckt, der ideal auf den Rotweinfleck passen würde. Genaugenommen sind es drei Bilder, einzeln hinter Glas gerahmt, nebeneinander gehängt ergeben sie das stilisierte Panorama einer Sanddüne. Sehr minimal, sehr edel, sehr schwer. Um die Drucke aufzuhängen, müssen sechs Dübel in der Wand versenkt werden, und da ist der Handwerker im Haus gefragt.
Mit Tom habe ich verabredet, dass wir um 19 Uhr anfangen, eine halbe Stunde vorher stehe ich mit einem kleinen Metalldetektor, gab’s bei Tchibo, vor dem Rotweinfleck und überprüfe die Wand auf Leitungen. Ganz hinten im Wohnzimmerschrank habe ich einen Träger Red Bull deponiert, außerdem Bananen, Kekse, Schokolade und ein paar Flaschen Mineralwasser: Mein Survival Package für die nächsten Tage, es gilt, so lange wach zu bleiben wie möglich.
Ich habe Glück, eine Leitung verläuft etwa in Toms Kopfhöhe, wahrscheinlich führt sie zu den beiden Wandleuchten. Ich markiere sie möglichst unauffällig und drehe die Birnen so weit heraus, dass sie nicht mehr leuchten, damit Tom nichts merkt, wenn ich den Lichtschalter betätige und das Kabel unter Strom setze.
Sechs Bohrlöcher, sechs Schuss, mit einem wird mein Mann hoffentlich das Kabel treffen. Und ihn der Schlag. Er kommt pünktlich nach Hause, und den Koffer mit der Bohrmaschine hat er bereits in der Hand. Es kann losgehen. Ich zeige ihm, wo ich das Panorama gern aufhängen würde und halte das mittlere Teil an die Wand, dabei wende ich ihm den Rücken zu. Er tritt einen Schritt zurück.
»Schönes Panorama«, sagt er.
»Ich weiß. War auch teuer genug.«
»Ich meinte nicht das Bild.«
»Mein Hintern hat Breitwandformat?«
»Du weißt, wie ich es meine.« Liebevoll legt er mir die Hand auf die Hüfte.
Mein Mann macht mir wieder Komplimente? Was soll ich davon halten? Nimmt er jetzt alles, was er kriegen kann? Darf es gleich ein ganzer Harem williger Konkubinen sein für Herrn Harun-al Tom, Großwesir von Hellersheim? Ich kann mich zu gut erinnern, wie er gestern in der Bar noch mit der anderen rumgemacht hat. Abstoßend!
Als Handwerker wie als Ehebrecher geht Tom sehr gründlich vor. Er überprüft mit seinem eigenen Metalldetektor die Wand, findet ebenfalls die Leitung und legt seine Markierungen dann etwas höher. Dafür verwendet er kleine, runde Klebeetiketten aus Papier, die sich beim Bohren in das Loch mit hineindrehen und auf diese Weise spurlos verschwinden. Wie praktisch! Er legt die Dübel und Schrauben zurecht, wählt den passenden Bohrer aus und schließt die Bohrmaschine mit der Verlängerungsschnur an die Steckdose an. Meiner Meinung nach hätte ein billiger Akkubohrer auch ausgereicht, aber wenn ein Mann schon so eine schwere, teure Bohrmaschine mit robustem Metallgehäuse sein eigen nennt, will er sie selbstverständlich auch benutzen. Ein paar Watt mehr, und er könnte mit dem Ding auch im Garten nach Erdwärme bohren.
Irgendetwas fehlt aber beim Heimwerken immer, zum Glück, dieses Mal ist es der Schlüssel vorne für das Bohrfutter, ohne den er den Bohrer nicht befestigen kann. Während Tom Richtung Garage verschwindet, um ihn zu suchen, kann ich in Windeseile die Markierungspunkte tiefer setzen: Dahin, wo die Stromleitung verläuft. Einen Augenblick später kehrt Tom zurück, er nimmt die Bohrmaschine, befestigt den Bohrer im Bohrfutter und setzt an.
Das erste Loch setzt er sauber in die Wand. Nichts geschieht. Ebenso das zweite. Auch das dritte und vierte gehen problemlos über die Bühne. Habe ich die Markierungen falsch gesetzt, oder ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auf der großen Wandfläche ausgerechnet die Stromleitung erwischt, einfach zu gering?
Bei Loch Nr. 5 macht es im Sicherungskasten neben der Garderobe leise »klick«, die Sicherung für die Wandbeleuchtung ist wohl herausgesprungen. Ein kleines Qualmwölkchen steigt aus Toms Bohrmaschine auf, ihr Motor setzt aus, und Toms Hand klebt am
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