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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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meiner Frauenärztin bin ich auch unzufrieden.
    Wer garantiert mir, dass ich nicht an irgendeinen Pfuscher gerate? Es gibt Berufe, die dürfen nicht für sich werben, Ärzte und Apotheker zum Beispiel, auch Anwälte. In diese Sparte gehören auch Auftragskiller, bei ihnen ist man komplett auf Empfehlungen angewiesen. Doch wer von meinen Freundinnen hat schon mal daran gedacht, ihren Mann umbringen zu lassen? Keine, fürchte ich. Die meisten sind noch nicht mal bei Rot über die Ampel gefahren, sie wären zu keinem Verbrechen fähig. Ich wette allerdings, das Gleiche würden sie auch über mich sagen.
    Die Kleinanzeigen habe ich auch schon durchforstet, aber da gibt es nicht mal verklausulierte Angebote, »Humanentsorgung« oder so. Klar, die Kripo liest mit. Die Einzige, die sich mit so was auskennt, ist Maryam, sie hat immerhin von Berufs wegen gelegentlich mit Kriminellen zu tun. Ich fange sie im Gericht ab, sie ist gut gelaunt, denn sie hat mal wieder einen Scheidungsprozess vor sich, oder wie sie es ausdrückt: Sie darf wieder einer Frau zu ihrer natürlichen Freiheit verhelfen, verbunden mit materieller Unabhängigkeit.
    »Maryam, hast du schon mal einen Mörder verteidigt?«
    »Nein. Du kommst ja nicht in die Puschen.«
    »Echt, noch nie?«
    »Wie denn? Wir haben hier vielleicht zwanzig Morde im Jahr, wenn’s hochkommt. Und wird mal einer umgenietet, dann gibt es Hunderte Kollegen, die genauso wie ich nur darauf lauern, endlich mal so einen richtig spektakulären Mordprozess führen zu dürfen. Im großen Verhandlungssaal, mit Presse, Fernsehen, allem Drum und Dran. Ach, wär das schön!«
    Zwanzig, mehr nicht? Ich dachte, Mord wäre in einer normalen deutschen Großstadt an der Tagesordnung.
    »Gibt’s hier gar keine Mörder?«, hake ich nach.
    Maryam überlegt kurz, bevor sie antwortet: »Nö. Ich könnte dir ein paar notorische Schläger nennen. Aber Mörder? Sieht schlecht aus. Nee, nee. Das musst du schon selber machen.«
    Hm. Genau darauf möchte ich in Zukunft verzichten. Aber was Maryam erzählt, klingt leider arg ernüchternd.
    »Du rufst mich an, wenn du mich brauchst?«, fragt sie.
    »Klar!«
    »Ich verlass mich auf dich! Wehe, du rennst zu einem meiner Kollegen!«
    Ich muss lachen. »Du hast den Fall. Versprochen.« Dabei habe ich doch bereits mein Möglichstes getan. Mehrfach! Wenn sie wüsste …
    »Fein. Und wie geht es deinem Lustknaben? Wenn du mit ihm kuschelst, macht der Kleine dann sein Bäuerchen?«
    Hoppla. Spüre ich da so etwas wie Neid? Habe ich ihr zu viel von Björn vorgeschwärmt? Sie steht doch eher auf Machos als auf große Jungs. Dachte ich.
    »Glaub mir«, versichere ich, »er ist jederzeit einen Mord wert.«
    »Das wollte ich hören!«
    Maryam zeigt wieder dieses hinreißend unverschämte Grinsen, für das ich sie liebe. Wir sind vor dem Gerichtssaal angekommen, Maryam begrüßt ihre Mandantin, die heute geschieden wird, eine blondondulierte, goldbehangene Unternehmergattin um die fünfzig. Hinter der überdimensionierten, mit Swarovski-Kristallen verzierten Brille stehen ihr die Tränen in den Augen.
    Wahrscheinlich die übliche Geschichte: Gemeinsam haben sie sich aus bescheidenen Anfängen hochgearbeitet, jetzt lässt er sie wegen einer Jüngeren sitzen. In fünf Jahren kitzelt die ihn an der falschen Stelle, er bekommt vor Aufregung einen Herzinfarkt, und das Flittchen erbt alles. Der zukünftige Exmann wartet bereits im Gerichtssaal, und er sieht jetzt schon aus, als leide er unter Bluthochdruck.
    Wo bitte bekomme ich einen Killer?
     
    Es ist Nachmittag, und gleich werde ich ein großes Bier bestellen, nur um in diesem zwielichtigen Milieu nicht als Mädchen zu gelten. An den Wänden hängen alte Pin-up-Bilder, vergilbte Zeitungsartikel und Plakate von Boxkämpfen, der Geruch von Mottenpulver und altem Bratfett hängt in der Luft. Vor Angst mache ich mir fast in die Hose, was ich allerdings auch allemal lieber tun würde, als in diesem Laden aufs Klo zu gehen. So viel Sagrotan passt in keine Handtasche! Allein schon der ranzige Film auf den Lampen, widerlich. Da dürften die Bakterien auf der Toilette erst recht Polka tanzen! Und soeben habe ich zwischen den kalkfleckigen Gläsern auf dem Bord über der Theke ein paar tote Fliegen erspähen müssen. Ich weiß, ich bin nicht das typische Publikum, trotzdem: Hier müsste dringend mal saubergemacht werden, bei der Gelegenheit würde ich gleich mehr Licht hereinlassen, und die eine oder andere Grünpflanze könnte auch

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