Nicht Totzukriegen
nicht schaden. Dann könnte der Laden sogar Atmosphäre haben.
Meine Handtasche halte ich krampfhaft auf dem Schoß fest, denn im
Liberty’s
, nur eine Straße entfernt vom ehemaligen Knast, trifft sich die Halbwelt des Verbrechens: Luden, Hehler, Autoknacker, leitende Beamte der städtischen Baubehörde. Wenn ich irgendwo Kontakt zur kriminellen Szene bekommen kann, dann doch wohl in diesem trüben Schuppen! Sonst sind hier gern mal tausend Jahre Zuchthaus auf einem Haufen versammelt; hab ich gehört, ich war vorher noch nie hier drin. Heute nicht, am Tisch hinter mir diskutiert ein Taxifahrer mit seinem Kollegen die Spritpreise, zwei andere Gäste könnten mit viel Wohlwollen noch als Zivilstreife durchgehen, und am Ende der Theke hat ein einsamer Säufer Mühe, sich auf dem Barhocker zu halten. Das war’s. Enttäuschend.
Vielleicht ist siebzehn Uhr auch noch zu früh für schwere Jungs, oder die Szene hat sich verlagert. Ob der Wirt mehr weiß? Ich versuche ihn anzulächeln und dabei gleichzeitig so entschlossen wie möglich zu gucken; nachher werde ich noch als Verbrecherin gar nicht ernst genommen. Heraus kommt ein vermutlich sehr krampfiges Grinsen, aber er kommt zu mir und spricht mich an. Immerhin.
Bevor ich bestellen kann, fragt er: »Sie sind die Innenausstatterin?«
»Was soll ich sein?« Kann er Gedanken lesen, oder wie hat er mitbekommen, dass ich schon überlegt hatte, wie man seinen Laden auf Vordermann bringen könnte?
»Die Innenausstatterin. Wegen dem Restaurant. Die wollte am späten Nachmittag hier sein.«
»Wieso denn Restaurant?«
»Wir schließen zum einunddreißigsten. Und dann machen wir als Restaurant wieder auf. Französische Küche.«
Ich mag es kaum glauben. »Aber … den Laden gibt’s doch schon ewig.«
»Deshalb. Ich muss mich mal verändern. Hat sich aber auch nicht mehr gelohnt. Kommt ja keiner mehr.«
»Und wo bleibt dann Ihre bisherige Kundschaft?«
»Ah, Sie meinen die Kriminellen, die sich früher hier rumgetrieben haben.«
»Das haben Sie gesagt.«
»Die Verbrecher von heute tragen Anzug und Krawatte. In so nem Laden lassen die sich nicht mehr blicken.«
»Und wenn ich einen Tipp von Ihnen bräuchte, einen Kontakt, also, ich meine, jemanden, der für mich eine delikate Angelegenheit erledigen soll?«
»Nee, nee. Die Zeiten sind vorbei. Aber ich könnte Ihnen eine leckere Bouillabaisse kochen.«
»Danke!!!«
»Sie sind wirklich nicht die Innenarchitektin?«
Noch gebe ich mich nicht geschlagen.
Zweiter Versuch: Der Im- und Export am ehemaligen Schlachthof. Gehört ein paar Usbeken, Tadschiken, Tscherkassen oder ossetischen Inguschen, was auch immer, auf jeden Fall Russenmafia. Jeder fragt sich, was in der Baracke abläuft, man sieht dort so gut wie nie Kunden, aber vor der Tür parken immer die neuesten Porsches und Mercedesse. Die wildesten Gerüchte kursieren: Nach dem, was ich im Fitness-Studio gehört habe, werden dort Drogengelder gewaschen, Maryam tippt auf Waffenhandel mit dem Iran, und Johannes meinte mal, es ginge um Giftabfälle, die mit hohen staatlichen Zuschüssen nach Afrika verschoben werden; Dioxine, Schwermetalle und so. Aber wozu spekulieren? Man kann einfach mal vor Ort fragen. Denn wenn irgendwo ein Killer aufzutreiben ist, dann doch wohl am ehesten in einem russischen Im- und Export.
Ich betrete also eine Art Verkaufsraum, auf circa siebzig Quadratmetern stapeln sich Plüschtiere, Waschmaschinen, Hochzeitskleider, Feuerwerkskörper, Stepp-Trainer, Eierkocher … Niemand kümmert sich um mich. Erst als ich bei dem Versuch, einen riesigen Teleskop-Sonnenschirm auszufahren, einen Karton mit solarbetriebenen Gartenleuchten aus dem Regal fege, kommt ein Mitarbeiter nach vorn, ein drahtiger Kampfterrier in einem schlichten Anzug, die Haare militärisch kurzgeschoren. Trotzdem nicht unsympathisch, er hat ein freundlich-zurückhaltendes Lächeln, ich könnte ihn mir glatt als übernächsten James Bond vorstellen.
Mr. Bondski spricht mich mit osteuropäischem Akzent an: »Kommen zurecht?«
»Ja. Nein. Ich hab mal ne Frage …«
»Sonnenschirm kannst du kaufe fünf Stück, zehn Stück oder zwanzig, mach ich Preis. Gute Preis.«
Interessant. Und wie sieht’s aus mit Panzerfäusten, Maschinengewehren und Flugabwehrraketen?
»Ich möchte nichts kaufen. Können wir irgendwo ungestört reden?«
»Ja?« Es klingt wie eine Frage, mir scheint, ich habe es geschafft, den Mann zu überraschen. Er bittet mich zu seinem Kollegen ins Büro. Der
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