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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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echte Probleme, noch genügend neue Streitfälle zu finden.
    »Genaugenommen«, erklärt Maryam, »führen wir eine Beziehung auf hohem intellektuellen Niveau. Und wir siezen uns noch immer!«
    »Ist
intellektuell
das neue
neurotisch
? Hast du schon mal daran gedacht, daraus eine normale Beziehung zu machen?«
    »Jaaa …«, antwortet Maryam zögernd.
    »Und?«
    »Weiß nicht, ist es dann noch so spannend?«
    »Wird immer spannender. Du, ich hab auch Neuigkeiten!«
    »Du strahlst so. Bist du schwanger?«
    »Nein, nicht ganz so spektakulär. Ich bin wieder mit Tom zusammen.«
    »Tom …« Maryam wirkt wenig begeistert.
    »Ja! Ist das nicht wunderbar?!«
    »Der Tom, der dich mit dieser Schlampe betrogen hat, der zu viel arbeitet und dich seit Monaten nicht mehr anfasst.«
    »Jetzt wieder, ich war selbst ganz überrascht.«
    »Na, wenigstens hat das Morden dann ein Ende«, meint sie.
    Jubel klingt unter Freundinnen anders. »Ich dachte, du freust dich für mich, Maryam.«
    »Tu ich doch Schatz, sorry, ich hab nur Angst, dass es schiefgeht. Ich möchte nicht, dass du wieder so leidest. Wie ist es denn dazu gekommen?«
    »Wir waren in Italien im Urlaub.«
    »Ja, da passiert das schon mal …«, seufzt sie, als hielte sie unser Revival für einen Unfall.
    »Ja wo denn sonst«, motze ich, »soll ich auch bei Gericht rumpimpern?«
    »Entschuldige, tut mir leid, ich wollte dir die Freude nicht verderben. Ich mach mir nur Sorgen. Sei vorsichtig, ich kenn die Männer, die wollen nur Sex, und du bist ihnen egal.«
    Ich finde, für eine Anwältin, die eine heimliche Affäre mit dem Staatsanwalt pflegt, ein beeindruckendes Statement.

47
    Die Mörbissuppe köchelt brav im Topf. Der Ofen ist heiß, lass uns starten, Baby. Ich stehe wieder in der Küche, es ist 18:56, und wieso klingt jetzt das Handy?
    »Schatz, ich sitz noch beim Kunden, es wird später heute.«
    »Ich … ich dachte, wir machen uns einen schönen Abend?!«
    »Ich weiß, es tut mir unendlich leid. Ich hatte mich auch drauf gefreut.«
    Nicht schon wieder, das kann er mir nicht antun! »Es gibt Mörbissuppe …«
    Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber vielleicht sollte ich einfach mal was anderes kochen. Ich muss mich setzen. Minutenlang starre ich die Wand an und stelle fest: Seit wir die Bilder aufgehängt haben, ist dort einfach kein Platz mehr für neue Rotweinflecken. Aber ich habe große Lust, mich zu besaufen, den Schmerz zu betäuben, mich mal wieder richtig volllaufen zu lassen, also hole ich mir eine Flasche Wein, muss kein teurer sein, ich drehe den Korkenzieher hinein und ziehe …
    STOPP ! Nie wieder werde ich mich aus Frust betrinken. Erst telefonieren.
    »Maryam, es geht schon wieder los.«
    »Was?«
    »Lange arbeiten.«
    »Scheiße.«
    »Ich bring ihn um!«
    »Okayokayokay. Nicole, tu nichts Unüberlegtes. Bist du dir sicher, dass er sich mit ihr trifft? Ich weiß, es klingt unlogisch, aber: Lange arbeiten könnte auch bedeuten, dass er einfach lange arbeitet.«
    Sie hat recht, ich sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen: »Ich check das.«
    »Oder – vielleicht ist er nur bei ihr, um die Affäre zu beenden.«
    »So was lässt sich in weniger als zehn Minuten erledigen! Ich weiß, wovon ich rede.«
     
    Langsam lasse ich den Wagen die Straße der Vorortsiedlung herunterrollen. Yvonnes froschgrüne Karre ist nicht zu übersehen, aber auch Toms BMW fällt in dieser Gegend sofort auf. Es ist das einzige Auto völlig ohne optischen Ballast wie Aufkleber, Spoiler oder putzige Bärengesichter an den hinteren Seitenscheiben. Ich halte kurz an und schaue hoch: In ihrer Wohnung brennt schummriges Licht. Ist wohl das, was man unter »stimmungsvoll« abheften kann. Nur wenige Tage nachdem er mir die Sterne vom ligurischen Himmel geholt hat, treibt er’s schon wieder mit dieser Hohlbratze. Ich wünsche ihm den hartnäckigsten Intimpilz an die Nudel, den man sich nur vorstellen kann.
    Auf dem Balkon schräg gegenüber hält so ein Hängertyp im schwarzen T-Shirt seinen Aschenbecher über die Brüstung und schüttet ihn aus. Ich habe große Lust, auszusteigen, ihn anzubrüllen und so richtig zur Sau zu machen, weil er sich grad so schön dafür anbietet. Aber das lass ich besser, bevor Tom und Yvonne es noch mitbekommen. Ich fahre, ich hab genug von dieser Gegend.
     
    Am Bahnhof muss ich eine geschlagene Stunde warten, dann endlich kann ich mich auf den Rücksitz von Taxi Nr. 3309 fallen lassen. »Fahren Sie einfach ein bisschen durch die Gegend«,
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