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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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klärt er mich auf, »weil kleines Kaliber macht manchmal nur innere Verletzungen, und da haben Sie ja nichts von, weil …« Plötzlich hört er auf zu sprechen, wie angewurzelt sitzt er da und starrt auf den Tisch. Ich schau mich um: Polizei? Überwachungskameras?
    »Was ist?«, frage ich.
    »Könnten Sie das wegtun?« Wie angewidert zeigt er auf die Sachen, die ich auf den Tisch geworfen hatte.
    »Oh, Entschuldigung.« Ich räume alles zurück in meine Handtasche. Ein Killer mit Ordnungszwang – ist das ein Vor- oder ein Nachteil? Ein Chaot wäre wahrscheinlich schlimmer, der würde die Hausnummer verwechseln, sich im Datum irren oder womöglich gar den Falschen erschießen. Aber was bedeutet das für den Auftrag: Muss ich erst das Haus aufräumen, bevor er zur Tat schreiten kann, und für ihn im Bad einen Stapel Handtücher bereitlegen?
    Der Cousin entspannt sich sichtlich, und nachdem er den Aktenkoffer in einen noch viel exakteren rechten Winkel gerückt hat, fährt er in der Liste fort: »Möchten Sie ihn nur töten, oder soll er auch leiden?«
    Ich komme mir vor wie beim Neuwagenkauf: Nein, keine Klimaautomatik, keine Breitreifen und auch keine Nebelscheinwerfer.
    »Danke, alles ohne Extras.«
    »Guuuut.« Mein Gegenüber streicht mehrere Posten seiner Liste ab. »Und Sie möchten auch net dabei sein, wenn ich ihn erledige?«
    »Kann ich drauf verzichten.«
    »Dann kommen wir zum Finanziellen.«
    Ich beuge mich vor und schau auf seinen Zettel: »Welche Optionen haben Sie da denn so anzubieten: Ratenzahlung, Kreditkarte, Leasing? Rubel, Dollar, Rupien?«
    Völlig verständnislos sieht er mich an: »Nur Barzahlung natürlich. In Euro.«
    Wir vereinbaren, dass ich den Betrag wie zufällig in Taxi Nr. 3309 liegenlasse. »Aber damit das klar ist«, betone ich, »Geld gibt’s nur, wenn er auch tot ist. Ganz tot. Mausetot.«
    »Ja, des ist doch wohl selbstverständlich.«
    »Von wegen. Nicht bei meinem Mann.«

49
    Wann wird endlich das Büfett freigegeben? Mir hängt der Magen schon in den Kniekehlen; die klitzekleinen Kanapees, die gereicht werden, machen nur noch mehr Hunger. Mit ihrem Catering scheinen die Veranstalter symbolhaft das Problem des Welthungers thematisieren zu wollen, wozu auch immer dann noch die Gemälde afrikanischer Künstler an den Wänden hängen. Was hat mich nur getrieben, bei der Eröffnung einer Ausstellung über togolesische Gegenwartskunst dabei sein zu wollen? Ach ja, stimmt: Daheim sitzt der Cousin im Schlafzimmer und lauert mit gezückter Wumme meinem Gatten auf. Ich brauchte mal wieder ein Alibi, und da kam die Einladung zu dieser Vernissage wie gerufen: Sehen und gesehen werden lautet das Motto!
    Ich will der togolesischen Gegenwartskunst nicht unrecht tun: Die Bilder sind echt sehenswert, und die wichtigsten bildenden Künstler Togos sind sogar persönlich zugegen; ja, alle beide. Man sieht, dass Afrika ein armer Kontinent ist, bei dem einen Maler waren außer Rot grad alle Farben aus; der andere hat kleine, apokalyptische Kerlchen mit viereckigen Köpfen auf Zeitungspapier gebannt, für Leinwände reichte vielleicht das Geld nicht. Aber seltsames Volk läuft hier rum. Die Besucher schieben mit Kennermiene durch die Räume und verharren in andächtiger Pose vor jedem einzelnen Bild, als würden sie intensiv über dessen Sinn grübeln. Sieht sehr tiefgründig aus, aber wahrscheinlich zählen sie auch nur langsam bis zehn und ziehen dann weiter zum nächsten Gemälde. Die Gäste in Schwarz wirken grenzdepressiv-existentialistisch, der Rest scheint direkt vom Kostümfest der Waldorfschule zu kommen. Nicht meine Welt. Kaum jemand unterhält sich, mit mir schon gar nicht, und wenn ich weiterhin ständig an meinem Handy herumfummle, werde ich erst recht mit niemandem ins Gespräch kommen. Ja, ich bin nervös! Genaugenommen bin ich sogar kurz vorm Durchdrehen, jeden Moment könnte der Cousin anrufen. Weiß ich, was zu Hause los ist? Vielleicht ist Tom schon längst wieder zurück, er hat im Haus den Killer überrascht und ihn überwältigt, ihm mehr Geld geboten als ich und ihn damit umgedreht, so dass er jetzt mich erwartet, gleich wird er mich anrufen und zurück nach Hellersheim locken, und sobald ich das Haus betrete, bekomm ich den Fangschuss.
    Kein Büfett, alles nur Langweiler, und immer noch niemand, der mir ein Alibi geben könnte. Was sollen diese armen Togolesen nur über Deutschland denken: Die Leute sind komisch, und es gibt noch weniger zu essen als in Äthiopien.

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