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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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»
ich
habe nachgedacht. Ich glaube, du willst mehr als ich. Und das kann ich dir nicht geben.«
    »Nein, ich will gar nicht mehr«, protestiere ich, aber er lässt sich nicht beirren. »Seien wir ehrlich«, fährt er fort, »du brauchst einen ganz anderen Kerl als mich, einen, der dir was zu bieten hat, ein Haus, ein Auto. Deine biologische Uhr tickt, du willst Kinder. Für mich kommt das zu früh, ich will das nicht. Noch nicht.« Und während er das sagt, schaut Björn mich so mitleiderregend traurig an wie ein Köter, der um Wurst bettelt, schwer pathetisch presst er die Fäuste vor die Brust: »Mir ist das zu eng geworden, verstehst du?«
    Nein, das verstehe ich nicht, und sein treudoofer Dackelblick ändert gar nichts daran, dass ich ihm am liebsten eine runterhauen würde. Was denkt dieser Lümmel sich? Er kann mich doch nicht einfach so abservieren. Und überhaupt: Das war mein Text!
    »Du egoistischer, kindischer Feigling! Du willst mit mir Schluss machen? Spar dir deine Ausreden, lern endlich mal, was Verantwortung ist. Werd erwachsen!«
    »Möchtest du denn, dass es so weitergeht?«
    »Natürlich nicht! Aber das ist doch kein Grund. Ich mein, wenn hier jemand Schluss macht, dann ja wohl ich!«
    »Dann siehst du es genauso?«, fragt er und wirkt dabei auf unverschämte Weise erleichtert.
    »Worauf du Gift nehmen kannst!«
    Die Wohnungstür knallt so hart zu, dass innen die Klinke herunterfällt. Puh, erst einmal durchatmen. Ich schau auf die Uhr: nicht mal neun Minuten. Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht.
    Mission erfüllt, Affäre beendet, und das schlechte Gewissen hat er.

45
    Wir gehen in Sack und Asche. Wir entschuldigen uns für alle Sünden seit Adam und Eva. Wir schieben alle Schuld auf die Praktikantin und bieten an, sie zu feuern. (Das macht man immer so, aber man entlässt nie jemanden, oder höchstens pro forma für ein paar Wochen, dann stellt man die Kollegin oder den Kollegen stillschweigend wieder ein, und alle sind glücklich.)
    Das ist unsere Strategie. Aber ob sie aufgeht? Mir schwant Böses, als Frau Stilskens Ehemann gleich zu Anfang mächtig auf die Tränendrüse drückt.
    »Meine Frau sitzt zu Hause und weint. Sie fühlt sich verletzt, gekränkt, beleidigt. Sie sagt, in ihrem ganzen Leben ist sie noch nie so gedemütigt worden. Und«, seufzt er, »ich muss sie trösten.«
    »Dafür entschuldige ich mich in aller Form. Das war nicht unsere Absicht.«
    »Jetzt weigert sie sich auch noch, bei der Gala zu laufen«, klagt der Ehemann.
    Ich lege so viel Bedauern in meine Stimme, wie ich nur kann: »Uns tut das am meisten leid. Wir hatten das Konzept extra für sie …«
    Er fällt mir ins Wort: »Unter uns: Ich muss sie nicht mehr auf Kufen sehen. Sie etwa?«
    Hoppla. Ich dachte, es wäre seine Idee gewesen, seine Frau wieder aufs Eis zu schicken, stattdessen sitzen wir im gleichen Boot. So kann man sich irren. Jetzt heißt es, diplomatisch zu bleiben und bloß nichts Negatives über Frau Stilsken zu sagen.
    »Wir richten uns da ganz nach Ihnen«, antworte ich demütigst.
    »Sie ist verrückt danach, wieder aufs Eis zu kommen. Ich weiß auch nicht, warum, sie ist doch keine siebzehn mehr, das muss sie doch selbst sehen. Sagen Sie mir, was soll ich machen? Ich liebe meine Frau, ich würde ihr jeden Wünsch erfüllen. Andererseits bin ich Unternehmer, ich muss sehen, was für meine Firma das Beste ist.«
    »Wie wär’s damit: Wir veranstalten die Gala wie geplant. Und zum Abschluss übergibt Ihre Frau einen Preis, dann läuft sie noch eine Ehrenrunde und dreht ein paar Pirouetten.«
    »Reicht nicht. Ich kenne meine Frau.«
    »Vielleicht kaufen Sie ihr für die Gala noch ein nobles Abendkleid. Und wir schicken ihr zur Entschuldigung einen riesengroßen Blumenstrauß.«
    »Meinen Sie?«
    »Wenn ich Ihre Frau wäre – ich wäre begeistert!«
    Der Stein, der meinem Gesprächspartner vom Herzen fällt, durchschlägt mit seiner Wucht mehrere Stockwerke, bevor er endgültig im Keller aufprallt. »Sie haben mir das Leben gerettet. Danke!«
    »Gern geschehen!
    Frau Stilskens Mann lacht. »
Baby Elephant Walk
, ich fand’s komisch.«
    »Ach, übrigens«, kommt mir noch eine Idee in den Sinn, »wir könnten noch unsere Junior-Projektleiterin feuern, wenn Sie darauf Wert legen.«
    »Nein, nein. Muss nicht.« Schade.
    Wir verabschieden uns in aller Freundschaft voneinander und überhäufen uns gegenseitig mit Komplimenten, wie professionell wir die Situation bereinigt haben.
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