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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen
Autoren: Claus Vaske
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sage ich zum Chauffeur.
    Der Kastrat am Lenkrad verdreht seinen aufgedunsenen Oberkörper in meine Richtung, vor Aufregung kiekst seine Stimme, er klingt immer noch, als hätte er Helium geatmet: »Ach, Sie sind’s.« Er legt den Gang ein und fährt los. »Was macht Ihr Mann?«
    »Was macht Ihr Cousin?«
    »Ich kann ihm Bescheid sagen.«
    »Er soll mich anrufen, und zwar schnell.«
    »Geb ich weiter«, knödelt er fröhlich.
    Eine kurze Fahrt. 2,60 €.
    Kurz vor Mitternacht kommt Tom in unser Schlafzimmer getrottet, er kriecht über seine Bettseite zu mir und nötigt mir einen Kuss auf. Volle fünf Stunden zu spät!
    »Sorry Schatz, tut mir leid.«
    »Finger weg!«
    »Wir holen das nach. Versprochen!«
    »Bitte. Wie du magst. Du kannst dir gern unten das Essen warm machen.«
    »Ich konnte nicht anders!«, fleht er und klingt fast verzweifelt. Klar, typisches Männerproblem: Wenn sein kleiner Freund erstmal das Kommando übernommen hat, gibt’s kein Halten mehr. Komisch, warum haben wir Frauen dafür nur so wenig Verständnis?

48
    Wir treffen uns morgens an der Autobahnraststätte, am Telefon hatte der Cousin mir exakt den Tisch beschrieben, an dem ich auf ihn zu warten habe. Aber woran erkennt man einen Killer? An der Sonnenbrille, dem finster entschlossenen Blick und dem Koffer, in dem er seine Waffe bei sich trägt? Mein Gegenüber könnte auch Sachbearbeiter im Einwohnermeldeamt sein, so unscheinbar sieht er aus. Er ist vielleicht Mitte fünfzig, das Haar wird dünner; er trägt Jeans und verbirgt den Hemdkragen unter dem Pulli; so einer fährt einen fünf Jahre alten Opel und nennt ein bescheidenes Reihenhaus am Stadtrand sein eigen.
    Er hat tatsächlich einen Aktenkoffer dabei, aber statt des zusammenschraubbaren Präzisionsgewehrs holt er einen Stift und ein Blatt Papier mit einer umfangreichen Liste hervor. Er legt es vor sich auf den Tisch und richtet es penibel parallel zum Koffer aus, der wiederum exakt im rechten Winkel zur Tischkante daneben steht.
    »Wie hätten Sie’s denn gerne?«, fragt er.
    Da muss ich nicht lange überlegen: »Tot?«
    »Ja, so einfach is des net. Da gibt’s schon verschiedene Möglichkeiten.«
    »Welche?«
    »Zuerst müssten Sie sich grundsätzlich für eine Tötungsart entscheiden.«
    »Sie sind der Fachmann. Was würden Sie empfehlen?«
    »Wenn Sie mich fragen, ich tät ihn erschießen. Des ist sauber und hat sich bewährt.«
    »Okay.«
    »Eeerschiiießen«, murmelt er gedehnt und malt dabei umständlich das erste kleine Kreuzchen auf seine Checkliste. Schön, damit hätten wir das.
    »Morgen Abend ist er allein zu Hause, da könnten Sie ihn gut –« Abmurksen, wollte ich sagen, aber vorher fällt mir der Cousin ins Wort.
    »Ja ha ha, Momentelein, junge Dame, so schnell geht des net, da gehört schon noch mehr dazu, einen Schritt nach dem anderen.« Wieder ist er bei seiner Liste: »Möchten Sie großkalibrige Waffe, kleinkalibrige Waffe, Dum-Dum-Geschoss?«
    »Ich möchte was?«
    »Dum-Dum-Geschosse. Kennen Sie net? Uffgepasst, ich erklär’s Ihnen: Normale Projektile laufen vorne spitz zu, Dum-Dum-Geschosse net. Die haben einen flachen Kopf, damit sie besonders große Wunden reißen. Ganz klar gegen des Völkerrecht, aber des braucht Sie ja net zu interessieren.«
    »Ist mir egal. Was soll das? Ich will einfach nur, dass er stirbt.« Mich nervt dieses Brimborium, das er veranstaltet.
    Verärgert knallt mein Gegenüber den Deckel seines Aktenkoffers zu. Er wird patzig: »Ja, so kann ich net arbeiten!«
    Der Typ macht mich wahnsinnig. Sachbearbeiter im Einwohnermeldeamt ist er auf gar keinen Fall, selbst die sind heutzutage deutlich freundlicher. Finanzamt vielleicht, daher auch der Killerinstinkt. Ich krame meine Geldbörse und meine Autoschlüssel hervor und lege sie vor mich auf den Tisch, damit ich mir gleich einen Kaffee holen kann.
    »Schon gut, in Ordnung, fragen Sie weiter.« Notgedrungen füge ich mich in seinen Ablauf. Hoffentlich ist das hier bald vorbei.
    Der Bestellvorgang geht in gespannter Atmosphäre weiter, immer wieder schaut der Cousin irritiert auf meine Sachen, die ich nach und nach aus meiner Handtasche auf den Tisch packe. Ich hoffe, er geht nicht mir noch an die Gurgel.
    »Großes oder kleines Kaliber? Ich tät Ihnen großes Kaliber empfehlen, des hat für Sie den Vorteil –«
    »In Ordnung!«
    »Groooßes Kaliber …« Tief über das Blatt gebeugt setzt er das nächste Kreuz, dann hebt er wieder den Kopf. »Des ist für Sie wirklich besser«,
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