Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht von dieser Welt

Nicht von dieser Welt

Titel: Nicht von dieser Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Mansini
Vom Netzwerk:
anfassen will. Wobei ich eh nicht weiß, wie ich ihm helfen kann. Man kann eigentlich nur warten. Das tun wir. Hat jemand schon mal versucht, ein Leben veränderndes Liebesgeständnis zu machen (bzw. zu bekommen), während nebenan ein winselndes Kleinkind mit hochrotem Kopf versucht, einen Haufen zu machen? Genau! Es geht nicht!
    Aber das war noch nicht alles: Während jetzt also sogar Malo ins Schleudern gerät und ich mir ernste Sorgen um Ben mache (kann da was reißen?), haben wir das Essen bekommen und beginnen nun damit, um die Unmöglichkeit der Situation zu überspielen. Bis ich nach einigen Bissen merke, dass meine Lasagne seltsam fad schmeckt. So … fleischlos. In dem Moment sehe ich, dass Malo mindestens genauso rot anläuft wie Ben. Malo hat nämlich gerade zum ersten Mal in seinem Leben Fleisch gegessen. Als er dann in Panik gerät, denke ich noch: Jetzt übertreibt er aber wirklich etwas mit seinem „Antitiertöten“, da erklärt er mir nach Luft schnappend, dass er sofort Hilfe braucht. Genau wie bei uns den Japanern ein Enzym fehlt, um Alkohol abzubauen, fehlt den Leuten auf seinem Planeten irgendwas, wodurch man mit Fleischkonsum klarkommt. Wir haben wegen Ben eh schon die Aufmerksamkeit des halben Restaurants. Als Malo nun aufspringt, sein Stuhl umkippt und er mit einem flehenden „Es tut mir leid“ aus dem Restaurant rennt, schauen mich alle an. In dem Moment ruft Ben verzweifelt, aber letztlich auch erleichtert unter Tränen und so laut wie ich ihn noch nie etwas habe rufen hören: „Kaa-kiiii“. Er hat es geschafft. Endlich! Er lässt sich erschöpft in seinen Sitz plumpsen und fragt lieb: „Malo weg?“
    Ja, Malo ist weg. Wie vom Erdboden verschwunden. Er ist nicht auf der Straße. Die italienischen Kellner, denen ich irgendwas von einer Allergie vorfasele, finden ihn auch nicht um die nächste Ecke. Ich habe richtig Angst um ihn. Und mir wird schmerzhaft bewusst, dass ich im Grunde nichts, aber auch gar nichts über ihn weiß. Meine Phantasien gehen von „Ist wegen akutem Fleischbefall explodiert“ bis zu „Hat sich auf ein Raumschiff gebeamt für eine Notoperation“. Mir wird klar: Das ist absurd! Ich kann das nicht. Ich brauche nicht noch mehr Ängste, noch mehr Unsicherheit, noch mehr Chaos in meinem Leben. Dieser Vorfall wäre ja nur die Spitze des Eisbergs, wenn wir tatsächlich versuchen würden, mehr aus uns zu machen. Es geht hier nicht um Romeo und Julia, die Eltern sind dagegen. Hier prallen im wahrsten Sinne des Wortes zwei Welten aufeinander!
    Es kam dann doch noch eine SMS, in der Malo sich endlos entschuldigte und erklärte, dass es ihm schon wieder besser geht. Er wird sich melden. Na ja. Ich habe dann gezahlt und die Lasagne von Ben mit nach Hause genommen. Und während Konstantin heute Morgen mit Ben im Zoo ist, warte ich mal wieder darauf, dass Malo sich meldet …

Stiche
    Veröffentlicht am Dienstag, 11. Oktober 2011 – 16:09
    Ich sitze hier in unserem Schlafzimmer, während Ben neben mir schläft. Tippe, so leise es geht. Der arme Kleine hatte heute Nacht Fieber, die Nase ist jetzt komplett zu und als er eben Mittagsschlaf machen sollte, hat er herzergreifend geweint, weil er nicht einschlafen konnte. Habe ihn dann mit zu mir ins große Bett genommen, wo er nach gefühlten einhundert Rollen vor und zurück und einer Stunde Warten endlich eingeschlafen ist. Weil ich Angst habe, dass er im Schlaf aus dem Bett purzelt, bleibe ich jetzt bei ihm …
    Ich schulde noch den Bericht von gestern. In aller Kürze: Wir waren bei der Feindiagnostik. Konstantin und ich. Dem Baby geht es ausgezeichnet. Alle Organe und Körperteile sind so, wie sie sein sollen, und am richtigen Platz. Ich habe das eher entspannt zur Kenntnis genommen, weil Malo dies ja bereits vor Wochen „diagnostiziert“ hatte, aber als ich beim anschließenden Arztgespräch zu Konstantin herüberschaue, dachte ich, ich spinne: Er hatte feuchte Augen! Mein Konstantin! Der weint allerhöchstens, wenn die Hertha absteigt oder am Ende von „Forrest Gump“ und selbst das ist eher „ironisch“. Sagt er. Auf dem Weg zum Auto habe ich ihn darauf angesprochen. Und ja: Er hat all die Wochen, seit wir diese schlechten Werte bei der NT-Messung bekommen haben, echt Angst gehabt, mit unserem Mädchen stimmt was nicht. Bei ihm arbeitet ein Koch, der aus so einer Feindiagnostikuntersuchung mit drei sogenannten Softmarkern gegangen ist – und dann ein behindertes Kind bekommen hat. Das schwebte nun die ganze Zeit als

Weitere Kostenlose Bücher