Nichts Als Ärger
auszusprechen.
»Ja«, stieß er hervor. Es schien das gewesen zu sein, was der Fremde hören wollte. Oder es war zumindest keine falsche Antwort.
»Sie werden im Laufe des Abends wieder zu sich kommen«, versicherte ihm Flinx, »und sie werden sich nicht an das erinnern, was mit ihnen passiert ist.«
Als er dem Jungen aus dem Versteck auf dem Dach folgte und sie dann die Zugangstreppe hinuntergingen, musste Flinx feststellen, dass Subar nicht der einzige hier anwesende junge Mann war, der lügen konnte, wenn es seinen Absichten dienlich war.
6
Aufgrund seiner heimlichen Kontakte hatte Shyvil Theodakris das erste Vorstellungsgespräch arrangieren können, und durch die heimliche Manipulation von Bits und Bytes der Geschichte war es ihm möglich gewesen, seine momentane Position zu erreichen. Aber viele Personen, die eine wichtige Rolle bei seinem Aufstieg gespielt hatten, waren inzwischen im Ruhestand und einige sogar schon tot.
Alle Beteiligten, Theodakris natürlich eingeschlossen, waren zufrieden mit dem Ergebnis. Der Analyst hatte nichts als Frieden und Genugtuung erhalten. Seine Arbeit kam bei allen, die mit ihm zu tun hatten, gut an, und seine Rolle als Förderer der Stabilität und des Fortschritts in Malandere wurde sowohl von seinen direkten Vorgesetzten als auch den diversen Stadtverwaltern, die während seiner aufeinander folgenden Amtsperioden gekommen und gegangen waren, anerkannt. Seine Unterstützer und er hatten allen Grund, mit seiner Arbeit zufrieden zu sein.
Wenn der leitende Situationsanalytiker Shyvil Theodakris eine Schwäche hatte, dann war es seine Eitelkeit. Das lange Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, wirkte unnatürlich üppig und dunkel für einen Mann seines fortgeschrittenen Alters - was er mehrfachen Transplantationen und künstlichen Stärkungsmitteln zu verdanken hatte. Seine attraktiv gefärbten Augen, von denen das eine nach der neuesten Mode dunkelblau und das andere hellgelb schimmerte, waren das Ergebnis einer raffinierten chemischen Manipulation und nicht etwa eines seltsamen genetischen Ungleichgewichts. Dank der regelmäßigen Anbringung äußerst kostspieliger Hautapplikationen blieben seine natürlich aufgeblühten Leberflecken sowie andere Alterserscheinungen unsichtbar.
Trotz all seiner Bemühungen war seine offenkundige Reife nicht zu übersehen, auch wenn das ungeübte Auge und seine unwissenden Kollegen allein aus seinem Aussehen nicht darauf schließen konnten, ob er sechzig oder schon hundert Jahre alt war. Dieser Unterschied war für ihn Grund genug, regelmäßig diverse kosmetische Manipulatoren aufzusuchen, die er fast schon zu seinen Gefolgsleuten zählen konnte.
Der heutige Morgen versprach, ein guter zu werden. Die vorangegangene Nacht war nicht ganz so chaotisch gewesen wie sonst, was die geringere Anzahl von Fällen, denen er nachgehen musste, zeigte. Sollten sich die Einzelheiten irgendeines von ihnen nicht als interessant erweisen, würde er sie wie üblich einmal überfliegen, bevor er sie für eine tiefergehende Analyse an seine Untergebenen weitergab. Die Handlanger konnten dann die Drecksarbeit machen und jede antisoziale Handlung in ihre relevanten Bestandteile aufschlüsseln. Daraufhin erhielten diese wiederum andere Angestellte der Autoritätszentrale, um den Fall weiter zu bearbeiten und zu versuchen, die Übeltäter zu fassen. Ausgestattet mit schnell zusammengestellten individuellen Dossiers durchsuchten die Einsatzkräfte dann die zahlreichen Stadtbezirke nach Kriminellen und anderen antisozialen Elementen.
Das System war von Natur aus organisch, überlegte Theodakris, als er es sich auf dem Stuhl bequem machte und die vertraute nackte Wand anstarrte. Sein Körper verarbeitete Nahrung und Luft. Die Autoritätszentrale bearbeitete Hinweise und Verbrechen. Beide erzeugten Energie und Abfallprodukte. Die AZ schuf ergo sichere Umgebungen für gesetzestreue Bürger und gewährleistete die Verhaftungen der Unruhestifter.
Es war seine Aufgabe - die er im Laufe der Jahre immer besser beherrschte -, sich rasend schnell in den Verlauf eines Verbrechens einzulesen und einzelne Elemente herauszufiltern, denen diverse Untergebene dann nachgehen konnten. Aufgrund seiner früheren Ausbildung zum Genonaturalist besaß er das Talent, voraussehen zu können, wie sich die Beteiligten an einem Verbrechen danach vermutlich verhalten würden. So war er den Polizisten im Einsatz eine unschätzbare Hilfe. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte er
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