Nichts Als Ärger
Besucher hätte sie sofort erkannt. Hier befand sich beispielsweise eine Sammlung von Langwaffen aus dem zweiundzwanzigsten Jahrhundert mit ihren einfachen Magazinen für die von Schießpulver angetriebenen Projektile. Weniger martialisch, aber dafür weitaus verzierter war das versiegelte Paket mit Gläsern aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. In der Nähe stand ein durchsichtiger Behälter, in dem die lebensgroßen Marmorfiguren aus einem uralten terranischen Tempel zu erkennen waren. Ein komplett zusammengesetztes Säbelzahnkatzenfossil teilte sich den Platz mit verschiedenen intakten Fast-Food-Behältern aus dem zwanzigsten Jahrhundert, die erstaunlicherweise nicht aus Plastik oder Zelluzen, sondern aus Baumresten zu bestehen schienen. Nur ein kurzer Blick auf die Regale reichte aus, um sie davon zu überzeugen, dass es hier noch viel, viel mehr zu holen gab. Der Wert der geschmuggelten terranischen Objekte, die sie sehen konnte, überstieg ihr Rechenvermögen.
Chal hatte recht. Das würde ihnen jede Menge Kredits einbringen, die nicht nur Monate, sondern Jahre reichten. Es sollte auch kein Problem darstellen, das Zeug loszuwerden. Wenn es um derart viel Kohle ging, gab es immer jemanden, der bereit war, sich um den Warenabsatz zu kümmern.
Sie wandte sich nach rechts und dem hinteren Teil des Gebäudes zu. Hier sollten sich die automatischen Systeme, die für die inneren Alarme und die Energieversorgung zuständig waren, befinden. Als sie ihr Ziel schon fast erreicht hatte, drang eine zischende Stimme aus den Schatten an ihr Ohr.
»Halt. Keine Bewegung. Nimm die Hände hoch, sodass ich sie sehen kann.«
Der Befehl kam von einer eigenartigen Stimme. Nicht nur die Betonung der einzelnen Worte war merkwürdig, auch der Sprachrhythmus kam ihr seltsam vor. Jemand von der anderen Seite Visarias, folgerte sie, wo man einen anderen Akzent sprach. Oder der Sprecher war ein Außenweltler. Da sie keine Linguistin war, musste sie sich vorerst damit zufriedengeben.
Aber sie konnte einen lebensbedrohlichen Befehl erkennen, wenn sie einen hörte. Daher streckte sie beide Arme in die Luft und hielt die Hände über ihren Kopf.
Die Gestalt, die sich ihr näherte, trug einen Techanzug, der ebenso eng geschnitten war wie der ihre. Übergroße Stiefel und ein Helm mit undurchsichtigem Rundumvisier ergänzten die Kleidung des Sprechers. An der Pistole, die auf sie zeigte, war hingegen ganz und gar nichts Ungewöhnliches. Sie seufzte kurz und lächelte ihren Häscher dann an.
»Sehr gut. Sie haben mich.«
Es kam zu einer kurzen Pause. »Sehr gut? Ich bin verwirrt. Das müsste ich doch eigentlich sagen und nicht du.« Die Stimme klang seltsam gestelzt, als würde sie durch einen winzig kleinen, aber effektiven Echtzeitmodulator gefiltert.
»Nicht unbedingt. Aber das werden Sie schon bald verstehen.«
Eine Hand gestikulierte. Ziemlich kunstvoll, wie sie feststellte. »Das hoffe ich doch. Aber meine augenblickliche Verwirrung wird mich nicht davon abhalten, dich sofort zu erschießen, falls du versuchen solltest, zu fliehen oder mich auf andere Weise zu provozieren.«
Sie nickte. »Dann werde ich mich vorsehen.«
Ohne die Mündung der Pistole auch nur einen Millimeter zu senken, machte die Gestalt einen Schritt zur Seite. Der leicht vornübergebeugte Wachmann ging merkwürdig schlurfend. Möglicherweise hatte er bei der Pflichterfüllung mal eine Rückenverletzung erlitten, dachte sie. Diese Eigentümlichkeiten fielen ihr zwar auf, doch sie fand sie nicht außergewöhnlich. Ungeachtet des Lohns war es ihrer Meinung nach bestimmt schwer, die besten Leute für einen Job zu finden, bei dem man nachts arbeiten musste. Doch ein Mann (oder eine Frau) mit Rückenproblemen oder anderen durch Krankheit, Verletzung oder Vererbung hervorgerufenen Beschwerden würde bestimmt die Gelegenheit ergreifen, einer Arbeit nachzugehen, bei der man nicht groß mit anderen Leuten kommunizieren musste. Sie behielt die Hände über dem Kopf und richtete die Augen nach vorn, als ihr Häscher mit ihr auf eine gut beleuchtete Kammer im hinteren Gebäudeteil zumarschierte.
Boujon hatte Zezulas Gefangennahme über eine der mehreren Dutzend verborgenen Überwachungskameras beobachtet und wartete im Sicherheitszentrum bereits auf sie. Er war ein kleingewachsener Mann, erfahren, muskulös und stolz auf seine Kompetenz, besaß ein von tiefen Falten durchzogenes Gesicht, und der letzte Überrest seiner weißen Haare war derart kurz geschnitten,
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