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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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am Sonntag abend erschossen worden – nach zweiundzwanzig Uhr, vor ein Uhr früh, mit einem Stahlvollmantelprojektil. Er war wahrscheinlich sofort tot gewesen. Noch vor einer Stunde war ihr der Zusammenhang zwischen diesem Mord, dem Tod Alexander Bunges und dem Verschwinden Peter Zettels nicht zwingend erschienen. Seit der Begegnung mit Anne ordnete sie ihre Gedanken neu – auch wenn sie ihr nicht angenehm war, die Vorstellung, daß ausgerechnet die Freundin Paul Bremers in diesen Fall verwickelt sein könnte.
    Anne Burau war diejenige, die vom Tod Bunges profitierte. Anne Burau gestand eine Liebesaffäre mit Peter Zettel ein. Und was vor einem Jahr zutraf – warum sollte das nicht auch heute noch gelten? Wankas Theorie – daß Unbekannte mit Becker einen Mitwisser aus dem Wege geräumt hätten, um den wahren Hintergrund des Todes von Bunge zu vertuschen – war schön und gut und bester Stoff für einen Krimi. Aber sie glaubte nicht daran. Die meisten Morde, jedenfalls soweit sie aufgeklärt wurden, entpuppten sich als Taten aus rein persönlichen Motiven.
    Im vorliegenden Fall schien das persönliche Motiv auf der Hand zu liegen: Peter Zettel mußte Hans Becker zum Schweigen gebracht haben. Peter Zettel hatte Alexander Bunge erpreßt – und vielleicht nicht nur ihn. Er hatte dafür sorgen wollen, daß Anne Burau an Bunges Stelle in den Bundestag kam. Warum? Aus Liebe? Als einziges Motiv war das unwahrscheinlich. Weil es sich lohnte? Tja. Das war der Schwachpunkt ihrer Argumentation. Inwiefern konnte eine ihm verbundene Abgeordnete für einen Journalisten profitabel sein?
    Geheimnisverrat? Karen schnaubte und schüttelte den Kopf. Der Mann, der an ihr vorbeiging auf dem Weg zum Auditorium, schüttelte ihn auch – sie mußte ein komisches Bild abgeben. Nein – Spionage hatte seit dem Ende des kalten Kriegs gewaltig an Charme eingebüßt. Was war es dann? Karen strich sich die Haarsträhne, mit der sie ihre unruhigen Finger beschäftigt hatte, wieder hinters Ohr.
    Auf jeden Fall mußte die Fahndung eingeleitet werden – sofort. Sie hatte viel zu lange gezögert. Peter Zettel mußte gefunden werden.
    Um sie herum leerte sich der Vorraum, man strömte wieder zurück in den Saal. Nur Karen interessierte sich nicht mehr für das Thema – »Vorteilsnahme und Staatsvertrauen«, Vortrag eines bekannten Staatsrechtlers. Sie war vollauf mit ihrer eigenen Bilanz beschäftigt – im Klartext: Sie leistete Abbitte.
    »Tut mir leid – Manfred«, würde sie zu Wenzel sagen, und wenn sie es noch so haßte, diese neue Intimität per Vornamen. »Ich habe die Sache nicht ernst genommen. Ich habe mir den Blick durch Vorurteile verstellen lassen. Ich habe …«
    Sie merkte, daß ihre Hände feucht waren. Daß der Lack auf ihren Fingernägeln nicht mehr ganz einwandfrei war. Und auf dem linken Ärmel ihrer Kostümjacke hatte sie einen Kaffeefleck. Sie sah wahrscheinlich so zerknirscht aus, wie sie sich fühlte.
    Karen Stark zog sich den Rock gerade und schwor, ab jetzt auch die Dinge zur Kenntnis zu nehmen, die sie eigentlich nicht sehen wollte. Es würde keine Extrawurst für Anne Burau geben, nur weil Paul sie mochte. Und schließlich: Manchmal sind auch Männer die Opfer. Und Frauen die Täter.
    Sie schob die Tasse mit dem Rest kalt gewordenen Kaffees von sich, so resolut, wie sie ihre letzten Zweifel wegwischte. Anne Burau eine skrupellose Mitwisserin? Die Weiherhofbäuerin eine Frau, die über Leichen ging, nur wegen eines Jobs als Bundestagsabgeordnete?
    »Man ist da schon nach acht Jahren pensionsberechtigt«, flüsterte eine innere Stimme. »Außerdem gehören Biobäuerinnen nicht gerade zu den Damen, die in Fragen von Leben und Tod zimperlich sind.«
    Karen preßte die Lippen aufeinander, holte tief Luft, schielte bedauernd zur Tür zum Auditorium, durch die sich soeben ein Zuspätgekommener zwängte, stand auf und verließ die Veranstaltung.
    Es gab zu tun.

6
    An der Ungeduld des Hundes, der an der Leine zog, merkte sie, daß sie immer langsamer gegangen war.
    »Schon gut, Amber, ich komme ja.«
    Ihre Schritte schienen sich ihren Gedankenprozessen anzupassen: Sie drehten sich im Kreis und kamen irgendwann zum Stillstand.
    Daß Peter Zettel versucht hatte, Alexander Bunge mit einer gefälschten Zeitungsmeldung unter Druck zu setzen, wunderte sie noch am wenigsten. Ihr war schon bei ihren letzten Telefongesprächen aufgefallen, daß er sich aufführte, als ob er persönlich dafür gesorgt hätte, daß sie doch noch in

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