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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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den Bundestag kam. Und im Grunde traute sie Journalisten alles zu – alles schlechte, selbstredend. Nur – was wollte er damit bezwecken?
    Und hatte sich Alexander Bunge wirklich wegen einer gefälschten Zeitungsmeldung vom Kirchturm gestürzt? Nach allem, was sie mittlerweile über ihn wußte, hätte sie ihm mehr Durchhaltevermögen zugetraut.
    Anne blickte sich um. Sie waren bereits am Oranienburger Tor – es schien, als folgten sie einem inneren Kompass. Langsam dämmerte ihr, was das Geheimnis Alexander Bunges gewesen sein könnte.
    Der Vorsitzende der Baukommission des Ältestenrates des Bundestags seligen Angedenkens wurde schmerzlich vermißt – weil er Probleme aus dem Weg räumte. Weil er den Weg freischaufelte – im wahrsten Sinn des Wortes. Doch dann räumte er sich selbst aus dem Weg. Und jetzt schien sich ein ganz spezielles Problem langsam, aber sicher an die Oberfläche durchzufressen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Büchse der Pandora sich öffnete.
    Anne war wieder stehengeblieben. Amber fiepte und zog an der Leine. Sie standen vor einem Geschäft, wie sie es in diesem Stadtteil häufig zu geben schien. Hinter dem angelaufenen Fenster stapelten sich Anrufbeantworter, Telefone, Rundfunkgeräte, bonbonfarbene Handys, erleuchtete Vasen und Taschenlampen in Zigarrenform.
    Sie leinte Amber am Straßenbaum an und betrat den Laden.
    »Eine Taschenlampe.« Der alte Herr hatte jede Strähne des ihm noch verbliebenen Haares sorgfältig an seinem Schädel festgeklebt und nickte jetzt, als ob sie ihm eine Denksportaufgabe gestellt hätte. »Soso. Na, dann wollen wir mal sehen.«
    »Ich hatte gedacht an …«
    »Es gibt da mehrere Möglichkeiten. Es kommt ganz auf Ihre Zwecke an. Also wir haben« – er zählte die Alternativen an der Hand ab – »die Pocket Light, die Sturmlaterne, die Heavy Duty – das sind schon mal die unterschiedlichen Größen. Von den ganz kleinen würde ich Ihnen abraten. Und dann gibt es natürlich auch noch …«
    »Also eigentlich wollte ich …«
    »… Helligkeitsgrade. Soll es sehr hell sein? Oder brauchen Sie eher was für den Notfall, damit man bei Stromausfall die Streichhölzer findet und den Kerzenleuchter?«
    »Mir würde völlig reichen …«
    »Und schließlich ist das alles ja auch eine Frage des Geldes, nicht.« Der Mann guckte sie erwartungsvoll an.
    »Ja, also ich dachte da an …«
    »Und dafür habe ich genau das Richtige. Schauen Sie …« Agil drehte sich der alte Herr um und griff zielgenau ins Regal.
    »Die nehm’ ich«, sagte Anne. Es schien ihr das einfachste zu sein.
    Nicht mit der kleinen, eleganten Taschenlampe, die sie im Schaufenster gesehen hatte, sondern mit einem »Supersonderangebot«, mit einer besonders günstigen und besonders hellen, aber auch besonders großen Lampe kehrte sie zu Amber zurück. Der Himmel war grau geworden, und als sie hochsah, traf sie ein Tropfen auf der Wange.
    »Wir sind wasserfest«, murmelte sie und band die Hündin los. Das Tier strebte vorwärts, ungeduldig an der Leine ziehend, wenn sie wieder langsamer zu werden drohte. Was immer dann der Fall war, wenn sich ihre Gedanken überstürzten. Sie glaubte zu wissen, was die Bauarbeiten auf dem Areal in den Ministergärten behinderte.
    Anne zog ihr Jackett enger um sich. Plötzlich reimte sich alles: das Foto von Bunge mit der Grubenlampe auf der Stirn, der Dolch auf dem Schreibtisch der Zang. Sie begann die Entschiedenheit Alexander Bunges zu bewundern: Hätte er sich nicht zu diesem Schritt entschlossen, wären schon früher viele der Bauvorhaben des Bundes zum Stillstand gekommen, während Denkmalschützer und erregungsbereite Öffentlichkeit sich die Köpfe heiß gestritten hätten. Jede Verzögerung hätte Kosten verursacht. Bunge hatte, so, wie er es verstand, Schaden abgewandt von der Institution, der er diente – vom Parlament. Und damit auch von der Demokratie.
    Er hatte die Vergangenheit entsorgt – und Anne erwischte sich plötzlich bei der leidenschaftlichen Identifikation mit diesem Vorhaben. Die Vorstellung, man könne die Vergangenheit aus dem märkischen Sandboden herausreißen, wie man sich einen schmerzhaften Dorn entfernt, war zu attraktiv, um ihr zu widerstehen.
    Nur die Rolle Zettels war ihr unklar – vor allem nach dem, was Karen Stark gesagt hatte. Wenn Zettel mit Bunge gemeinsame Sache machte – was bezweckte er dann mit dessen Denunziation? Wieder blieb sie stehen.
    Peter quälte gern. War es das?
    Oder – hatte Bunge sich aus

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