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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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drittens: Peter Zettel selbst, der Entdeckung zu fürchten hatte. Oder irgend jemand anders, dem Becker hinterhergeschnüffelt hat.«
    Sie machte eine Pause. Das alles überzeugte sie noch nicht.
    »Vierte Möglichkeit«, sagte Wanka und starrte dabei auf seine Fußspitzen. »Jemand hat Hans Becker erschossen, weil der herausgefunden hat, daß die gefälschte Meldung in Auftrag gegeben worden war, um mit Alexander Bunge einen in gewissen Kreisen Berlins sehr, sehr unbeliebten Politiker aus dem Weg zu schaffen.«
    Karen runzelte die Augenbrauen. Warum nicht. Der Rücktritt von allen Ämtern hätte dafür allerdings ausgereicht. Wer konnte ahnen, daß Bunge sich gleich vom Kirchturm stürzen würde? Weshalb das Wissen um den Ursprung der Denunziation ihr keineswegs so brisant erschien, daß es den Mord an einem potentiellen Mitwisser nötig machte.
    »Das reißt mich auch nicht vom Hocker«, sagte sie. »Und was heißt ›unbeliebt‹?«
    »Die Interessen Berlins und die Interessen von Bundesregierung und Parlament sind, sagen wir mal, nicht unbedingt identisch.«
    Karen verzog das Gesicht. Eine ähnliche Theorie hatte auch Kollege Wenzel vertreten.
    Wanka hatte plötzlich so etwas wie innere Anteilnahme auf dem mürrischen Gesicht. »Die Filetstücke der Hauptstadt gehen alle an die Wessis aus Bonn, während ein paar internationale Investoren die Stadtkasse in Nullkommanix saniert hätten.«
    Karen war drauf und dran, den sauertöpfischen Ermittler wenigstens ansatzweise sympathisch zu finden – weil Intelligenz ja auch was Schönes ist –, aber sie konnte sich für seine Theorie nicht erwärmen. Der linke Aberglaube, wonach in den Gefilden von Geld und Macht Mord an der Tagesordnung war, korrelierte nicht mit der Statistik. Und außerdem fragte sie sich langsam, ob sie nicht alle miteinander auf der falschen Fährte waren, ob das alles wirklich zusammenhing – Bunge, Becker und das wahrscheinlich wenig rätselhafte Verschwinden eines mutmaßlichen Fälschers. Wer weiß, was Zettel wirklich mit Bunge verband – vielleicht war er ein eifersüchtiger Liebhaber gewesen? Vielleicht war Bunge – häufiges Selbstmordmotiv – aus unglücklicher Liebe gesprungen?
    Sie zuckte zusammen, als der Hund zu kläffen begann und sich an Schmoll vorbeidrängte. Der Kommissar blickte mit breitem Lächeln auf etwas hinter Karen, sogar Wanka guckte milde interessiert. Sie drehte sich um. Im Hof vor dem Werkstattgebäude stand eine Frau.
    Karen registrierte im Schnelldurchlauf die markanten Charakteristika: blond, sehr schlank, Brillenträgerin – und dann konnte sie einen überraschten Ausruf nicht unterdrücken:
    »Anne Burau! Was machen Sie denn hier?«
    »Das wollte ich auch gerade fragen …« Anne guckte mit gerunzelter Stirn auf Wanka und Schmoll, der sich verneigte und »Morddezernat« murmelte.
    »Ist was passiert?« fragte sie. »Ist was mit Peter?«
    Karen, Schmoll und Wanka blickten erst einander und dann Anne an und fragten, fast im Dreiklang: »Kennen Sie ihn?«
    Die Burau sah aus, als sei ihr überaus unbehaglich zumute. Karen dachte mit ebensolchem Unbehagen an ihre erste Begegnung zurück. Annes Anblick erinnerte sie an die finstersten Stunden ihres Lebens. Hastig stellte sie den beiden Ermittlern Anne Burau als Bundestagsabgeordnete vor, was Schmoll zu einem breiten Lächeln animierte, während Wanka besonders säuerlich guckte. Anne sah noch immer mißtrauisch aus, während sie sich vom Hund die Hände lecken ließ.
    Karen schüttelte sich innerlich und dachte an Sagrotan und ein robustes Handtuch. Dann gingen sie wieder ins Haus, im Gänsemarsch, Anne mit Hund wie eine Sünderin hinterher. Während die Burau dem Tier in der Küche eine Dose aufmachte, deren Inhalt es gierig zu verschlingen begann, stellte sich Wanka mit hinter dem Rücken verschränkten Armen ans Fenster, und Schmoll zog ein zerknautschtes Notizbuch aus seiner Lederjacke.
    »Selbstverständlich können Sie jede Auskunft verweigern.« Er strahlte sie an. »Als Abgeordnete sind Sie ja – äh – immun. Andererseits – wenn Sie uns helfen können …« Anne schien zu zögern, dann setzte sie sich, ohne Karen anzusehen, die sich an die Küchentür lehnte.
    Das Spektakel, das die beiden Bullen abzogen, war filmreif. Fast hätte sie das alles zum Lachen gefunden – wenn die Geschichte, die Anne Burau erzählte, nicht so hoffnungslos dürftig gewesen wäre.
    Sie kümmerte sich um Zettels Hund, aha. Hatte er sie dazu beauftragt? Nein – a-ha, hmhm.

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