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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Menschen. Von der Größe her gehörten sie einem Erwachsenen, nicht einem Kind. Manni macht den Kollegen Platz, die nun deutlich motivierter an die Arbeit gehen. Dies hier ist nicht die Stelle von den Fotos, die die Krieger bekommen hat, aber der Täter war hier, er hat hier auf dieser Lichtung auf Eric Sievert geschossen, es muss einen Grund dafür geben, einen Zusammenhang mit der Causa Vollenweider, nein, mehr als das: Dies hier muss einfach das Grab der Familie Vollenweider sein.
    Aber warum verdammt noch mal veranstaltet der Täter diese makabere Schnitzeljagd mit ihnen? Und wenn dieser Täter tatsächlich Kurt Böhm ist, was bezweckt er damit, sie in seine unmittelbare Nähe zu locken? Will er überführt werden, ist es das? Oder ist Böhm tatsächlich unschuldig, und der Täter benutzt ihn, und sie fallen drauf rein? Ein Nachtvogel schreit irgendwo über ihm im Dunkel, klagend und schrill. Eric Sievert unterbricht sein Geplapper und schaut unwillkürlich nach oben. Manni lehnt sich an einen Baum und versucht sich vorzustellen, wie es gewesen sein kann, was sich hier vor 20 Jahren abgespielt haben muss. Der Täter muss diese Stelle gekannt haben. Irgendwann vor dem Mord war er schon einmal hier, vielleicht, wenn die Theorie mit der Bundeswehr stimmt, während einer Truppenübung auf dieser NATO-Straße. Er wusste also, dass dieser Sumpfwald verdammt unwirtlich und abgelegen ist, und er konnte sicher sein, dass die Kölner Polizei nie im Leben auf die Idee käme, hier nach der verschwundenen Heimleiterfamilie zu suchen, schließlich gibt es keinerlei Verbindung der Vollenweiders zu diesem Ort.
    Manni ruft sich das Haus in Hürth vor Augen, die klobigen dunklen Möbel, die Enge, glaubt sogar die Toten vor sich zu sehen. Hans und Johanna, blutüberströmt in ihrem sargähnlichen Ehebett, erschlagen oder erschossen, die Tochter, Miriam, auf der Treppe, mitten in ihrem panischen Lauf zu den Eltern für immer gestoppt. Es muss ein Schlachtfeld gewesen sein, Blut überall, das Entsetzen der Opfer in der Luft, ihr Geruch und diese wahnsinnige, brüllende Stille, als es vorüber ist. Vielleicht hatte der Täter von Anfang an geplant, die Heimleiterfamilie im hessischen Ried verschwinden zu lassen, vielleicht war das auch eine spontane Idee. In jedem Fall ist er gründlich gewesen. Und erfolgreich. Es gelingt ihm, die Leichen ungesehen aus dem Haus in sein Fahrzeug zu schaffen, ebenso wie Matratzen und Bettzeug und Teppich, er hat dann sogar noch Zeit, alle Spuren im Haus, die auf ihn hinweisen, zu beseitigen. Vielleicht, nein, wahrscheinlich hat er damals auch alle Fotos und Unterlagen über das Heim beiseitegeschafft, damit die ihn nicht verraten. Und dann fährt er los und landet im Steiner Wald, wahrscheinlich in einer der folgenden Nächte. Wie lange wird es gedauert haben, eine Grube auszuheben, die tief genug ist? Länger als eine Nacht vermutlich, vielleicht hatte er das Grab also schon vor der Tat vorbereitet, oder er hat die Leichen irgendwo zwischengelagert, bis er fertig war. Womöglich hatte sich dann die Totenstarre schon wieder gelöst, was den Transport erleichtert hätte. Dennoch braucht es Kraft, all das zu bewerkstelligen, mehr Kraft, als eine Frau normalerweise hat.
    Wieder schreit der Vogel über ihm, näher jetzt, lauter, ein 1-A-Horroreffekt. Die Angler fallen Manni ein, vielleicht saßen die damals auch schon da, vielleicht hat von denen sogar jemand das Fahrzeug des Täters bemerkt. Gab es vor 20 Jahren schon Angler am Rhein, oder war der Fluss da noch völlig tot? Das lässt sich sicher klären, wird aber wohl kaum etwas bringen. Denn selbst wenn jemand damals das Fahrzeug des Täters gesehen hätte, würde der sich heute sicher nicht daran erinnern.
    »Hier ist ein drittes Bein«, ruft einer der Kriminaltechniker.
    Manni tritt an die Grube, die nun deutlich an Breite und Länge gewonnen hat. Die neu freigelegten Knochen sind etwas kleiner als die ersten, aber nicht so klein wie die eines Kindes. Ganz offenbar wurden hier zwei Menschen nebeneinander begraben. Ein Paar vielleicht, Hans und Johanna Vollenweider. Oder Mutter und Tochter? Oder alle drei? Sobald sie auch die Schädel haben, können sie das klären, die Zahnröntgenbilder der Vollenweiders liegen bereit. Wenn man sucht, findet man nicht immer das, was man erwartet, hört er Ekaterina Petrowa sagen. Aber daran will er jetzt nicht denken, es muss schon mit dem Teufel zugehen, wenn das hier nicht die Vollenweiders sind.
    Sein Magen

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