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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felizitas Carmann
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Dieser Friedhof ist meine Hausaufgabe für heute Abend.«
    Sie deutete mit dem Kopf zur Seite, wo in der Ferne vor der dunklen Kulisse des angrenzenden Waldes ein paar ausgetretene Stufen zu sehen waren. Dahinter erhob sich ein Mauerstück mit einem Torbogen, der durch ein Eisentor verschlossen war.
    »Na, dann mal los.«
    Rebecca stand auf, und Krishna sah sie entgeistert an.
    »Du willst doch wohl nicht jetzt den Waldfriedhof absuchen! Es ist stockdunkel!«
    Rebecca klopfte auf die Innentasche ihrer Goretex-Jacke.
    »Ich hab eine Taschenlampe mitgebracht. Das dürfte reichen. Was ist jetzt? Kommst du mit, oder muss ich alleine über das Tor klettern und im Dunkeln nach geöffneten Gräbern suchen?«
    »Verdammt, Rebecca«, Krishna kam schimpfend auf die Beine, »du bist mit Abstand die anstrengendste Frau, die mir je begegnet ist.«

Beweissuche
    W eißt du, du musst mir gar nicht antworten, wenn du keine Lust hast. Ich erzähle dir einfach, was ich gestern den ganzen Tag gemacht habe, und du hörst zu. Und wenn du eine Frage hast, drückst du einfach meine Hand, okay?«
    Christina griff nach Mehmets rechter Hand, die unbeweglich auf dem weißen Bettlaken lag, und sah erwartungsvoll in sein Gesicht, das keinerlei Reaktion zeigte. Nichts geschah. Die dunklen Augen lagen immer noch hinter den Lidern verborgen, und die dichten, dunklen Wimpern davor erweckten, mit ein wenig Fantasie, den Anschein einer Reihe Stacheldraht. Christina schluckte.
    »Oberflächlich betrachtet, habe ich mich natürlich den ganzen Tag mit unserem eigenen Fall beschäftigt«, fuhr sie leise fort, »ich habe Zeugen und Verdächtige aufgesucht, Fragen gestellt und die Antworten notiert. Du kennst das ja sicher. Aber in Gedanken war ich die ganze Zeit bei dir.«
    Verzweifelt suchte sie sein Gesicht nach einem winzigen Muskel ab, der bei ihren Worten zuckte, doch da war nichts. Die gleichmäßigen grünen Kurven auf dem dunklen Bildschirm täuschten Leben nur vor.
    »Ich kann nichts dagegen machen«, versuchte sie es erneut, »aber ich muss immerzu an unser Treffen denken. Ich frage mich, ob Lebowsky vielleicht Recht hat und es wirklich meine Schuld war, dass du aufgeflogen bist. Vielleicht war meine Tarnung doch nicht so perfekt, wie ich gedacht habe. Oder vielleicht habe ich nicht gut genug geschauspielert. Ich weiß es einfach nicht, und ich zermartere mir schon die ganze Zeit …«
    Christina zuckte zusammen, als die Tür aufflog und Lebowsky hereingerauscht kam. Obwohl sich sofort eine Rauchwolke in dem Krankenzimmer verbreitete, hatte er keine Zigarette zwischen den Fingern. Als er sie sah, blieb er abrupt stehen und starrte sie an. Langsam glitt sein Blick von ihrem Gesicht zu ihren Händen, die immer noch Mehmets Hand umklammert hielten.
    »Können Sie ihn nicht langsam in Ruhe lassen?«, fragte er gedehnt. »Ich finde, Sie haben schon genug angerichtet. Sie sollten nicht auch noch seine Genesung stören.«
    »Die Schwester sagt, es ist gut, wenn man mit ihm spricht. Dadurch behält er Kontakt zur Außenwelt.« Christina hielt Mehmets Hand beharrlich fest.
    »Ja, sicher«, grunzte Lebowsky. »War das dieselbe Schwester, die ich eben im ›Wachtturm‹ habe lesen sehen?«
    Lebowsky zog einen wackligen Metallstuhl mit weinrotem Kunstledersitz neben Rebecca und ließ seine üppige Gestalt mit einem kleinen Seufzer darauf niedersinken.
    »Die Ärzte haben getan, was sie konnten«, stellte er dann fest, »der Einzige, der ihm jetzt noch da raushelfen kann, ist er selbst.«
    Christina starrte den weißen Verband um Mehmets Kopf an und fragte ohne große Neugier: »Was genau haben die Ärzte denn getan?«
    »Das Projektil herausgeholt und gebetet, nehme ich an!« Lebowskys Mundwinkel zuckten verächtlich. »Wahrscheinlich hat die Schwester mit dem ›Wachtturm‹ ihnen dabei assistiert.«
    Christina war nicht nach einer Antwort zumute. Stattdessen massierte sie schweigend mit den Daumen Mehmets Handinnenflächen und hoffte auf irgendeine Reaktion.
    »Dabei hat er noch mächtig Glück gehabt«, ließ Lebowsky sich mit rauer Stimme vernehmen. »Der Einschusswinkel war sehr spitz. Das Projektil ist in der Schädeldecke stecken geblieben und hat das Gehirn nur gestreift. Der Täter muss mit der Waffe abgerutscht sein, als der Schuss sich löste. Wahrscheinlieh hat Mehmet sich heftig gewehrt.« Er räusperte sich, um seiner Stimme wieder sicher zu werden. »Hat ihm trotzdem nicht viel genützt. Liegt da wie 'ne halbe Rinderseite und sagt kein

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