Nichts bleibt verborgen
Getränkeautomaten auf dem Christlichen Gymnasium, war das auch eine Mutprobe?«
Magnus nickte stumm vor sich hin, während sich seine großen braunen Augen mit Tränen füllten. »Da wollte ich mir selbst was beweisen. Ich weiß, dass das ein riesiger Fehler war. Ich meine, das war echt gefährlich, und ich wollte doch nur …«
»Mal was richtig Spannendes erleben?«, schlug der Hauptkommissar vor.
»Ja … so ungefähr.« Magnus schniefte. Gustavsen reichte ihm ein Taschentuch.
Frau Granbergs Miene war erstarrt. Die winzigen Fältchen unter dem Make-up ließen ihr Gesicht so spröde und zerbrechlich aussehen wie altes Porzellan.
»Dein Lederarmband gefällt mir übrigens sehr gut, darf ich mir das mal ansehen?« Magnus zog es von seinem Handgelenk und gab es dem Kommissar. Der drehte es zwischen den Fingern und betrachtete es von allen Seiten. »Das sieht ja sehr edel aus.« Er musterte den in das dunkelbraune Leder eingeprägten Kopf eines Bullen, der offenbar das Firmenlogo darstellte, sowie die verzierten silbernen Enden, die man zusammenstecken konnte.
»Das sind Magnete«, erklärte Magnus. »Deshalb hält das Armband automatisch zusammen.«
»Kann man die hier im Laden kaufen?«
»Nein, die haben mir meine Eltern aus New York mitgebracht.«
»Die? Hast du denn mehrere davon?«
»Ich hatte mal zehn Stück, aber die Magnetstücke halten nicht so gut, wenn man sie nicht genau zusammensteckt. Zwei oder drei hab ich schon verloren.«
Ohlsen griff schweigend in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Lederarmband heraus, das dem von Magnus glich wie ein Ei dem anderen.
»Wahrscheinlich gehört das hier zu denen, die du verloren hast.«
Magnus wurde es heiß und kalt. »Wo haben Sie das her?«, fragte er mit brüchiger Stimme.
»Das haben wir in unmittelbarer Nähe des Tatorts gefunden, und wie du siehst, ist es kein bisschen verwittert. Das heißt, dass es nicht lange im feuchten Gras gelegen haben kann. Höchstens ein paar Stunden, sagen unsere Techniker.«
»Das … das kann nicht sein«, war alles, was Magnus über seine zitternden Lippen brachte. Er hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand eine Schlinge um den Hals gelegt, die sich langsam zuzog.
Kapitel 17
Alexander hatte seinem Vater am Telefon diktiert, was er einkaufen sollte. Eine Packung Mandeln, zwei Töpfe frisches Basilikum, ein großes Stück Parmesan, Olivenöl und 600 Gramm Kirschtomaten. Knoblauch und Spaghetti hatten sie noch zu Hause.
»Was soll das werden?«, hatte Ohlsen gefragt.
»Wart’s ab, Papa.«
Jetzt duftete die große Wohnküche am Frederiksborgveien nach frischen Kräutern. Alexander zupfte die grünen Blätter von den Stielen, während sein Vater die Mandeln in einer großen Pfanne erwärmte. »Sizilianisches Pesto«, sagte er versonnen. »Deine Mutter hat im Urlaub schon immer Rezepte gesammelt. Neu ist nur, dass sie das jetzt auch während der Arbeit tut und sie ihrer Familie nach Hause schickt.«
Alexander warf einen Blick auf den Kalender, in den ein dickes rotes Kreuz eingezeichnet war. »Heute in zwei Wochen kommt sie wieder.«
Ohlsen ließ die warmen Mandeln in der Pfanne tanzen, ehe er sie auf den Herd zurückstellte. »Deshalb sollten wir unsere Männer- WG bis dahin noch richtig genießen.« Er entkorkte eine Flasche Rot wein. »Was jetzt?«
»Die gerösteten Mandeln ein wenig abkühlen lassen und in der Küchenmaschine zu einem groben Pulver zerkleinern«, las Alexander vom Display seines Smartphones ab.
»Sehr wohl.« Ohlsen nahm die Pfanne vom Herd. Dann füllte er ein Weinglas bis zur Hälfte und schwenkte es hin und her. »Sag mal, dieser Magnus in deiner Klasse, was ist das eigentlich für ein Typ?«
»Ist das eine private oder eine berufliche Frage?«
»Rein privat«, antwortete Ohlsen mit demonstrativ unschuldigem Gesichtsausdruck. »Sonst würde ja ein Aufnahmegerät mitlaufen.«
Alexander wählte seine Worte mit Bedacht. »Er ist … irgendwie anders.«
»Anders als wer?«
»Anders als die anderen in der Klasse. Aber auch anders als die anderen glauben.«
»Das musst du mir erklären.«
Alexander schälte eine Knoblauchzehe und dachte nach. »Vielen aus der Klasse geht er auf die Nerven, weil er ständig den Ton angeben will und andere herumkommandiert. Oft benimmt er sich so, als würde er es geradezu darauf anlegen, sich unbeliebt zu machen.«
Ohlsen füllte die gerösteten Mandeln in die Küchenmaschine. »Sprich weiter, ich bin ganz Ohr.«
»Aber meistens kommt man gar nicht
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