Nichts für Anfänger - Roman
geringeren Etablissement als – und an dieser Stelle macht sie eine ellenlange Pause, damit es noch beeindruckender klingt – Border Town am Oxford Circus klargemacht hat.
Völlig geplättet werfe ich mich förmlich aus dem Stuhl und ihr um den Hals. Border Town?! Du machst wohl Witze! Der Jackpot! Tante Grace achtet nicht darauf und sagt mir, dass ich alle anlügen muss, die ich treffe, und ihnen sagen, dass ich sechzehn bin, und nie, nie, nie mein richtiges Alter sagen darf, weil sie sonst jede Menge Ärger mit der englischen Regierung bekommt. Ich sage ihr, dass das Geheimnis bei mir sicher ist, während ich zur Tür rausschieße und auf direktem Wege die Treppe raufstürze, um Saidhbh die guten Neuigkeiten zu erzählen. Ich weiß, dass das irgendwie bescheuert ist und egoistisch und vermutlich das Letzte, was sie hören will, aber mehr als alles andere wünsche ich mir, dass Saidhbh wieder normal ist, und sie wird nur wieder normal, wenn ich normal zu ihr bin und sie wie die alte Saidhbh behandle, die sich jeden Scheiß anhört, mit dem ich ankomme, und darüber lacht, vor allem, wenn es guter Scheiß ist.
Ich erwische sie wach und mit halb geöffneten Vorhängen auf dem Bett sitzend, sie hält sich mit ihrer verbundenen Hand eine Ausgabe Jackie unter die Nase. Kein bisschen verrückt, wenn man mich fragt. Ich lasse mich neben sie aufs Bett plumpsen und erzähle ihr die Neuigkeiten. Hinter ihrer Zeitschrift verborgen, kichert sie so halbwegs und sagt, dass es schön ist, zur Abwechslung mal gute Neuigkeiten zu hören. Sie nennt mich einen Glücksmadser, zieht die Zeitschrift für eine Sekunde von ihrem Gesicht weg und verpasst meiner Nase einen astreinen Comedy-Kniff, bevor sie sich wieder ans Lesen macht. Sie ist gerade auf der Problemseite, sagt sie. Für Probleme da unten, sagt sie, als würde sie jedes Wort einzeln durchkauen, Probleme da unten. Und dann kichert sie noch einmal. Ein trockenes Kichern. Nicht wirklich ein Lachen.
Wie sich herausstellt, ist der Job an sich total einfach und wird hauptsächlich von mir und zwei kleinen Italienern namens Marco und Luca ausgeführt – alle drei tragen wir richtig schicke Uniformen aus schwarzen Hosen und blauen Jeanshemden –, wir räumen einfach blitzschnell alles vom Tisch ab, sobald wir einen sehen, und dann flitzen wir damit in die Küche. Wir machen auch sauber, wenn etwas verschüttet wurde. Wir wischen sogar Kotze mit Mopp und Eimer weg. Dazu kommt es, wie ich schnell herausfinde, meistens am Samstagabend, wenn zu viele durchgeknallte Typen in Rugbyshirts zu viele Tequila-Shots von Sandy, dem Shot-Girl, getrunken haben. Man mische einfach den Tequila mit scharfem, tomatig-paprikaigem Essen und eimerweise Bier, und schon hat man das Rezept für einen übelst spritzigen Trip zum Klo und vielfarbig Hochgewürgtes auf der gesamten Hintertreppe.
Schnell fühle ich mich wie ein Fisch im Wasser, und alle sind total nett zu mir, von Trevor, dem englischen Restaurantchef mit dem rasierten Kopf, über die arabischen Jungs in der Küche bis hin zu den ganzen Schwulen, die vorne bedienen. Jawohl, Schwule gibt es hier überall. Der Typ vorne, der dich zum Tisch bringt, der große blonde Kerl hinter der Bar, der die Cocktails macht, und die drei Hauptkellner sind alle me gaschwul. Das ist ganz schön anders als in Dublin, wo man nie wirklich einen Schwulen sieht, weil die sich vermutlich alle zusammen irgendwo verstecken, aber die Schwulen hier sind total locker und megalustig und machen untereinander dauernd Witze darüber und tun so, als wären sie feine Damen, die gerade eine Pause vom Teetrinken in ihrer herrschaftlichen Villa einlegen und das mit dem Kellnern nur so aus Spaß machen. Billy, der Chefkellner, ist am allernettesten und nennt mich immer seinen kleinen irischen Helfer und sagt, ich bin süß wie Honig, und streichelt mir über den Kopf und umarmt mich. Das ist das Beste überhaupt, und es ist gar nicht so wie bei O’Culigeen. Kein bisschen. Überhaupt nicht gefährlich. Es ist wunderbar und warmherzig. Wie eine Berührung von Mam. Und es sorgt dafür, dass ich in seiner Nähe sein und ihm zuhören will und dass er mit mir zufrieden ist, wenn wir die gleiche Schicht haben.
Da bin ich allerdings nicht der Einzige. Alle lieben es, nach der Schicht um Billy herumzusitzen und sich seine Geschichten anzuhören. Wenn die Kunden nach Hause gegangen sind und alle Kotze und Tomatensoße aufgewischt ist, ist es Zeit fürs Mitarbeiterbier, und die Barhocker
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