Nichts für Anfänger - Roman
Saidhbhs Richtung genickt haben, verspricht er, uns die besten Plätze des Hauses zu geben. Er führt uns zu einer erhöhten Fläche am Ende des Gebäudes, auf der nur drei Tische stehen, von denen aus man runter auf den gesamten Pub blickt, wie von so einem Theaterbalkon auf die Bühne. Den ganzen Abend bedient Larry uns höchstpersönlich und lässt das Mädchen von der Bar kein einziges Mal etwas zu uns rüberbringen oder vom Tisch abräumen. Er plaudert viel mit uns über den üblichen Kram. Fragt uns, woher in Dublin wir kommen, und will wissen, was dieser Tage in der alten Heimat so abgeht. Ich und Saidhbh zucken mit den Schultern und sagen nicht viel, weil wir irgendwie nicht wissen, was er meint. Tante Grace sagt ihm, er soll uns in Ruhe lassen, vor allem, als er anfängt, uns nach alten Pubs in der Stadt zu fragen und ob wir wissen, was dieser oder jener alte Arsch jetzt macht, der früher immer den gesamten Samstagnachmittag im Fenster von Davy Byrnes saß.
Mit der Musik geht es gegen zehn los, gerade als unser Eis auf dem Tisch landet. Es ist keine wirkliche Disco, aber unten gibt es zwischen vier oder fünf niedrigen Tischen etwas Platz , um ein bisschen zu tanzen. Larry heizt dem Laden mit seiner Hi-Fi-Anlage über den Pint-Gläsern hinter der Bar ein, und tatsächlich sind drei Tussis und ein Typ die Ersten, die anfangen zu posen. Es läuft »Karma Chameleon« von Culture Club, und ich kann sehen, wie Saidhbhs Bein unter dem Tisch auf und ab wippt, als könnte sie es gar nicht abwarten, aufzustehen und einen Boogie hinzulegen. Wir beide, ich und Saidhbh, haben Guinness-Gläser vor uns stehen. Was das angeht, ist Tante Grace total cool und hat Larry bei der Getränkebestellung einfach zugenickt, und schon hieß es Guinness für alle. Niemand hat mich auch nur angesehen oder mein Alter erwähnt. Ich war einfach einer von der Gang.
Saidhbhs Guinness-Glas, ihr drittes, ist leer, als es mit »Karma Chameleon« zu Ende geht. In ihrem Eis hat sie hauptsächlich herumgestochert, und beim Essen hat sie kaum ein Wort gesagt. Sie hält sich an ihrem leeren Glas fest und klopft damit nervös gegen ihren Oberschenkel, während sie aufs nächste Lied wartet. Ich überlege gerade, wie ich Tante Grace dazu bringe, Saidhbh noch ein Bier zu bestellen, ohne zu gierig zu erscheinen, einfach um das ganze nervöse Klopfen abzudämpfen, als es kommt. »Small Town Boy« von Bronski Beat. Das langsame, gespensterhafte Intro läuft mir kalt den Rücken runter, und mich überkommt dieser Rausch, den du fühlst, wenn das beste Lied der Welt gespielt wird und du weißt, dass für diese paar wunderbar tosenden Momente alles in deinem Leben unendliche Möglichkeiten bietet. Wie ein Zauber. Und zum ersten Mal, seit ich einen Fuß auf englischen Boden gesetzt habe, habe ich zumindest den Hauch einer Hoffnung, dass sich vielleicht doch alles zum Guten wendet. Und vielleicht liegt es an dem bitteren schwarzen Bier, das langsam, aber sicher in meine Blutbahn sickert, oder an der Kombination aus Alkohol und Jimmy Somervilles träumerischem, hohem Schnurren auf der Höhe seiner Kunst, aber zum ersten Mal lasse ich meinen Schutzschild sinken und verlasse den Katzenkrankenschwestermodus, werfe einen Blick um mich herum und finde, dass Saidhbh noch immer großartig ist und dass Tante Grace großartig ist und Larry und der Letzte Hafen vor der offenen See und Pubs an sich und London an sich, das da draußen hinter den schmierigen Fensterscheiben wartet, mit all seinem Müll und Verkehr und superbeschäftigten Menschen und durchgeknallten Nachbarn und bärtigen Kil burn-Pennern, es ist alles, alles einfach nur großartig!
Das Schlagzeug setzt ein, und ich bin im Himmel. Ich fange an zu nicken und mich in meinem Stuhl hin und her zu wiegen und bringe einige meiner besten Tanz-Moves aus dem Schlafzimmer, zumindest von der Hüfte aufwärts. Als der Beat lauter wird, trommle ich auf dem Tisch und wackle mit den Schultern, von links nach rechts nach links und wieder nach rechts. Binnen Sekunden sind Fiona und Deano unten auf der Tanzfläche und tanzen spitzenmäßig vor und zurück, ein bisschen wie Dollar oder Legs and Co., als hätten sie sich abgesprochen. Tante Grace guckt einfach vor sich hin und lächelt. Als das Lied megahoch wird und so »Run away turn away run away turn away run away!« geht, durchflutet mich ein Glücksgefühl, und ich stoße Saidhbh an und deute mit der Nase hoffnungsvoll in Richtung Tanzfläche. Sie verzieht das
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