Nichts für Anfänger - Roman
haben ihm nur gesagt, dass er ein typischer alter Dubliner ist, der sämtliche Stunden, die Gott ihm gegeben hat, mit Arbeit verbringt. Soll heißen, dass ihm hier und da ein Nickerchen zusteht. Fall gelöst.
Normalerweise unterbricht Mam die Zimmertauschdiskussion, indem sie anfängt, über das Essen zu reden.
Wie findet ihr das Schweinefleisch? Lecker, oder?
Wir alle, alle sieben inklusive Dad, nicken und brummen und sagen: Ja, lecker.
Dann sagt Mam, dass die Tochter von Tom, dem Metzger, bald heiratet.
Dad sagt: Wen denn?
Mam sagt: Moira Ni Kennedys Jüngste.
Dann fegt sich Sarah dramatisch ihr seidenes Haar aus der Stirn und sagt, völlig schockiert: Julie Kennedy!?
Mam sagt: Ja.
Und dann sagt Sarah: O Gott, die war auf der Sorrows in meinem Jahrgang.
Und dann stürzen sie sich wie die Geier auf die Geschichte. Fünf Schwestern und Mam zerreißen sich das Maul über den Kennedy-Klan, das Hochzeitskleid, die verschwägerten Familien, die Verbindungen zu dem und dem, wer sich wo kennengelernt hat und über wen und warum diejenigen einander abbekommen haben. Manchmal, wenn es richtig laut wird und sie alle durcheinanderreden, dann sehen Dad und ich uns an und verdrehen zum Spaß die Augen. Dann fühle ich mich super, weil es so ist, als wenn wir Mitglieder einer Geheimorganisation wären. Wie wenn wir Benny Hill gucken und uns vor Lachen fast in die Hose machen, vor allem in der Folge, wo er die magische Fernbedienung hat und die Welt nach Lust und Laune anhalten und weiterlaufen lassen kann, und sie andauernd anhält, um den Krankenschwestern ihre Röcke runterzuziehen und so. Oder so wie früher, als ich noch jünger war und Dad und ich in den Ferien lange Spaziergänge am Strand von Cork gemacht haben. Und ich war sein Lieblingsjunge und stellte ihm tausend Fragen über Wissenschaft und über das Universum, Vulkane, Erdbeben und Haie, streng naturwissenschaftlich, und er konnte sie alle beantworten, egal, wie knifflig sie waren.
Ich: Gibt es Killerhaie in Irland?
Dad: Nein, nur Riesenhaie, und die töten keine Menschen.
Ich: Und wo?
Dad: Weit draußen im Meer, noch hinter der Galwaybucht.
Ich: Sind sie groß?
Dad: Ja, um die zehn Meter.
Ich: Wie lang ist das?
Dad: So lang wie ein Kleinbus.
Ich: Warum essen sie keine Menschen?
Dad: Weil sie nur kleine Fische fressen können.
Ich: Warum fressen sie keine größeren Fische?
Dad: Weil sie ein winziges Loch in der Kehle haben und den ganzen Tag mit offenem Maul herumschwimmen und so die ganzen kleinen Fische aus dem Wasser fangen.
Ich: Also, wenn man in Galway im Wasser schwimmen würde, und ein Riesenhai käme vorbei und hätte sein Maul offen, würde er einen dann verschlucken?
Dad: Nein, er würde wahrscheinlich an dir ersticken, bevor er dich vernünftig runtergeschluckt hätte.
Ich: Aber würde man dabei sterben?
Dad: Vermutlich.
Ich: Ich wusste es.
4
Tainted Love
M am und Maura Connell ziehen das mit dem Mozzo-Verbot durch. Wenn er anruft, sagen sie ihm klipp und klar, dass ich und Gary nicht zum Spielen rauskommen. Sie halten sich gegenseitig per Telefon auf dem Laufenden und sagen Dinge wie: Am liebsten würde ich rübergehen und ihr, gemeint ist Mozzos Mam Janet, die Rechnung unter die Nase halten, aber ich weiß ja, dass sie sie eh nicht bezahlen kann. Dieser freche Lausejunge! Gemeint ist Mozzo.
Mozzo kapiert schnell, wie der Hase läuft, und ruft nicht mehr an. Ich und Gary werden wieder beste Freunde und verbringen den Rest des Sommers damit, auf unseren Fahrrädern rumzufahren, von der Überführung am Oakfield Dual Car riageway runterzuspucken und jeden Freitag mit den Jungs die schweißtreibenden Sorrow-Hockeyspiele anzugucken. Doch wegen Helen Macdowell tragen die Mädchen nun riesig dicke Mundschutze, mit denen sie alle aussehen wie Rocky. Hosenscheißer Sweeny, der so heißt, weil er mal mit einem Riesenhaufen, der seine Hose richtig ausgebeult hat, aufgetaucht ist, sagt, dass das egal ist, solange sie die kurzen Röcke tragen, wird er ihnen beim Spielen zusehen. Niemand erwähnt Helen Macdowell, obwohl Garys Mam gehört hat, dass sie den Verstand verloren hat und das Land verlassen musste, um ein neues Leben zu beginnen, nur diesmal als Narbengesicht statt als Schönheit, auf die jeder steht.
Wenn ich und Gary von einer unserer Runden mit dem Fahrrad wiederkommen, sitzen wir in meinem und Fionas Zimmer und hören auf meinem Kassettenrekorder Musik. Kim Wildes »Kids in America« und »Tainted Love« von Soft Cell,
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