Nichts für Anfänger - Roman
alte Zeit, als man die Nattern aus der Kuhscheiße essen musste, um zu überleben. Die meisten von uns übermalen das Wort Peig mit abgefahrenen Graffitis und ändern es zu »Pute« oder »Penis«. Aber Hosenscheißer-Sweeny hat den Vogel abgeschossen. Er hat das I und das G durchgestrichen und Schlam davorgeschrieben.
Sie hat total viel Geduld, also Saidhbh jetzt, und am Anfang sind wir nur Freunde. Wir gucken uns im Ambassador Police Academy II an und finden ihn scheiße bis auf die Stellen, an denen der schwarze Typ die ganzen Elektrogeräusche mit seinem Mund macht. Das Ambassador ist ein riesiges altes Kino, das nach Bazooka-Joe-Kaugummi und Pisse riecht. Es liegt ganz am Ende der O’Connell Street, wo massenweise Schlä gertypen und Drogenabhängige rumlungern, die in Sozial woh nungen auf der Nordseite wohnen und Pferde als Haustiere haben und die dich für weniger als einen halben Schuss am Morgen abmurksen würden. Normalerweise wäre es eine große Sache für mich, da alleine hinzugehen, ohne eine große Schwes ter, die mich vor den messerschwingenden Junkies beschützt (wobei mir nie ganz klar ist, was genau meine Schwestern zu meinem Schutz tun sollten, wenn so ein Penner ankommen würde, außer vielleicht, ihn kurzzeitig mit ihren kunterbunten Neonpullovern von Ton-Sur-Ton zu blenden). Aber als Saidhbh kommt, um mich einzusammeln, nickt Mam ihr auf diese Weise zu, die bedeutet: Pass auf ihn auf, ich vertraue dir, du bist für heute seine Mam.
Am Anfang reden wir auch nicht so viel, ich und Saidhbh. Auf der Busfahrt in die Stadt sagen wir kaum ein Wort. Was ein bisschen komisch ist, weil die Fenster vom Aufeinandertreffen des miesen, kalten, nassen Dublin-Wetters mit der stickigen, dampfenden Wärme der Busheizung total beschlagen sind. Wir könnten quasi auch im Kreis rumfahren und würden es nicht merken, also gibt es nicht viel, was wir uns ansehen könnten, um uns abzulenken. Stattdessen male ich ein Gesicht ans Fenster, mit meinem kleinen Finger – für präzisere Linien. Ein stinknormales schreiendes Gesicht mit Fangzähnen. So was male ich gerade andauernd. Und ich kann mich nicht entscheiden, ob das daran liegt, dass ich American Werewolf im Filmclub der Schule gesehen habe oder ob das irgendwie so ’ne Art tief in mir drin sitzender Angstschrei ist. Ist ja auch egal, es sieht jedenfalls gut aus, und Saidhbh ist beeindruckt.
Saidhbhs Lieblingsfach ist Kunst, sie kennt sich also aus. Seit sie laufen kann, hat sie jedes Jahr eine Eins in Kunst bekommen. Sie will aber nicht wirklich Künstlerin werden. Sie will Lehrer werden, so wie ihr Vater. Sie sagt, dass sie wohl hauptsächlich Kunst machen wird, wenn sie in Rente ist. Dann wird sie grüne Landschaftsbilder malen und sie im Sommer um den St. Stephen’s Green Park herum an amerikanische Touristen verkaufen, die sich immer daran erinnern wollen, wie Irland aussieht, wenn sie zurück in den US of A sind, und dabei wird sie stinkreich werden.
Sie stößt mich mit dem Ellenbogen an und nennt mich einen kleinen Künstler. Ich stoße zurück und sage, Ach lass den Quatsch, aber wie ein alter Ire, dessen Familie schon seit tausend Jahren in Dublin wohnt und der findet, dass es die beste Stadt auf der Welt ist und der voll auf Guinness und Lustigsein steht und eine dicke Plauze hat.
Wir stoßen einander andauernd an, Saidhbh und ich. Eigent lich stoßen wir uns mehr an, als dass wir reden. Nach einem Monat traue ich mich immer noch nicht, sie nach Mozzo zu fragen, weil ich Angst habe zu hören, dass er noch immer ihr Freund ist und jeden Tag von Clontarf anreist, um sie zu sehen. Und sie traut sich nicht, ihn zu erwähnen.
Das mit dem Kino geht eine Ewigkeit so weiter, fast das ganze Schuljahr bis zu den ersten frostigen Dezembertagen. Nummer 5 lebt!, Drei Amigos!, Jumpin’ Jack Flash und Zoff in Beverly Hills. Wir gucken uns alles an. Wobei Saidhbh bei Letzterem vor dem Kinobetreiber so tun muss, als ob sie mein Vormund wäre, weil der Film ab sechzehn ist und darin diese Szene vorkommt, in der sich der Herr des Hauses ins Zimmer der mexikanischen Haushälterin schleicht und stöhnend und schwitzend unter ihr liegt, während sie sich rekelt und in einem weißen Nachthemdchen direkt auf seinem Pimmel rumwackelt. Ich und Saidhbh erstarren während dieser Szene zu Statuen. Wir atmen kaum, als sich das auf der Leinwand abspielt. Nicht dass wir vorher Händchen gehalten hätten oder so. Aber während die Szene läuft, würde jeder sofort merken,
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