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Nichts für Anfänger - Roman

Nichts für Anfänger - Roman

Titel: Nichts für Anfänger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Maher
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dass wir beide einfach stur geradeaus starren, dass sich bei uns kein Muskel regt, noch nicht mal die Augen. Wir erstarren einfach, nervöse Gedanken im Kopf.
    Ich denke an die Jungs in der Schule, an Hosenscheißer-Sweeny und Steven Casey, und mir wird klar, dass das hier genau das Richtige wäre, um sie an einem Montagmorgen in den Wahnsinn zu treiben, sie würden ihre Hüften hauruckmäßig vor und zurück bewegen und mit ihren Händen das Finger-ins-Loch-Zeichen machen. Und für einen Moment denke ich darüber nach, wie ich das Gespräch darauf lenken kann, direkt vor Technisches Zeichnen, wenn wir in einer Schlange warten, um in den kalten Neubau mit den Zeichenschienen und den schrägen Tischen zu kommen. Ich stelle mir vor, wie ich nicke und das gute alte Ich-hab-mir-den-Gaumen-verbrannt-Gesicht mache und den Jungs sage, dass Mexikanerinnen megaheiß sind. Und ich stelle mir vor, in ihre Gesichter zu sehen, und frage mich, ob einer von ihnen sagen wird, ich soll meine Fresse halten und mich wieder um meinen Schwuchtelkram kümmern. Aber hauptsächlich denke ich darüber nach, wie traurig mich die Szene macht. Und ich frage mich, ob Saidhbh und Mozzo auch diese Rekel-Wackel- Nummer abgezogen haben. Und ob Saidhbh ein weißes Seidennachthemdchen hat. Und ich fühle mich schlecht, wenn ich daran denke, wie es für mich in Sachen rekeln und wackeln gelaufen ist, und wie zur Hölle es so weit kommen konnte, dass ich die schwitzende mexikanische Haushälterin spiele und Vater O’Culigeen den geilen Hausherrn.
    Auf dem Nachhauseweg reden Saidhbh und ich nicht über die Szene. Wir sagen, dass der Film echt lustig war, vor allem, als der Typ mit dem Bart in den Swimmingpool gefallen ist. Und dann, wenn zwischen uns Stille herrscht, singe ich. Das tue ich oft. Eine der vielen Angewohnheiten, die ich in dieser Zeit entwickle. Es ist auch kein ausgewachsenes Sich-die-Seele-aus-dem-Leib-Singen. Ich drehe mich nicht zu Saidhbh und brülle »Oh What a Beautiful Morning« aus Oklahoma (ein Familie-Finnegan-Favorit). Nein, viel stiller. Ich fange einfach an, manchmal ohne es zu merken, leise ein paar Zeilen von Jimmy zu singen, wie andere Leute ein Gespräch anfangen. Saidhbh und ich laufen also von der Bushaltestelle auf der Ballydown Road zurück durch The Villas, und ich singe ganz hoch, aber auch ganz sanft »You leave in the morning with everything you own in a little, black case!«.
    Meistens singe ich noch ein paar Zeilen mehr, vermutlich bis zum Ende von »Mother will never understand …«, und dann höre ich auf und fange einfach wieder von vorne an. Sechzehn Schritte die Rosemount Lane runter. »Alone on the platform the wind and the rain …« Noch zwanzig Schritte bis zur Ecke Clannard Crescent. »On a sad lonely face.« Und dann nochmal fünfunddreißig bis zu dem kleinen Weg in die Castle Mount Road. »Mother will never understand.«
    Das Beste daran ist, dass es Saidhbh offenbar nicht stört. Um genau zu sein, gefällt es ihr sogar. Manchmal läuft sie einfach still neben mir her und hört mir beim Singen zu, ganz hoch, Jimmy-Style. Und manchmal summt sie sogar mit, auch total hoch, aber sie summt auch das Keyboard dazu. »Da, da, da-da, dam, da, da, da-da, dam, da, da, da-da, dam.« Und ab und zu singt sie sogar mit, nur dass sie den Text ein kleines bisschen verändert, einfach weil sie es kann. »On YOUR sad lonely face!«
    Und noch mal, das ist nicht wie bei Oklahoma oder Annie, schieß los! Oder irgendeinem anderen F-F-F, der jedes Jahr zu Weihnachten auf BBC 2 rauf und runter läuft. Viel sanfter als das und manchmal kaum wahrnehmbar. Aber in diesen Momenten, wenn wir uns über den kalten Asphalt einen Weg zurück zu unseren feuchten, winterlichen Häusern bahnen und in dieser Tonlage singen, die Dad in seinem hochnäsigen Angeberton als »sweet simpatico« bezeichnen würde, dann glaube ich, wenn auch nur einen Augenblick lang, dass es Reinheit und Schönheit auf der Welt gibt. Und dass ich einen Teil davon ganz für mich haben kann.
    Und dann kommen wir zum schwarz-weißen Eisentor von Saidhbhs Haus. Normalerweise ist unser Abschied total simpel und geht von Saidhbh aus. Sie nennt mich einen kleinen Madser und macht dann noch irgendwas Schwesterliches, zum Beispiel kneift sie mir in den Oberarm, während sie sich runterbeugt und mir ein Küsschen auf die Backe gibt und mir auf nette Art und Weise sagt, ich soll abzischen. Aber diesmal, und ich könnte schwören, dass das an dem mexikanischen

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