Nichts für Anfänger - Roman
Weihnachtsgeschenk bin, das sich ein Pfarrer wünschen kann.
3
Tage religiöser Orientierung
D er Countdown zu meinem Vierzehnten ist ähnlich furchtbar. Der Januar ist ein Albtraum. Schule ist wieder angesagt. Und mich kannst du völlig vergessen. Ich kann mich auf nichts konzentrieren. Noch nicht mal auf Mr. Kings überzogene König-Lear-Performance vor der Tafel oder mein ehemaliges Lieblingsexperiment in Spits McGees Physikunterricht, Haftreibungskoeffizient versus Gleitreibungskoeffizient – wobei man eigentlich bloß einen Holzklotz über eine glatte Oberfläche gleiten lässt und guckt, wie viel Energie nötig ist, damit er nicht zum Stillstand kommt. Alle Lehrer glauben, dass ich auf Störenfriedmodus geschaltet habe und versuche, mich ihnen zu widersetzen, also verbannen sie mich in die hintersten Reihen oder auf den Flur. Dadurch steigt mein Ansehen bei den GAC -Typen, für die ich vielleicht ein warmer Bronski-Bruder sein mag, aber dafür ein ziemlich hardcore abgebrühter Bronski-Bruder. Sie sind besonders beeindruckt, als Fats Madigan mich aus Erdkunde schmeißt, weil ich die gleiche Frage dreimal hintereinander nicht beantworten kann.
Er fragt mich etwas über Gletschererosion. Kinderleichtes Zeug, Gletscherseen und so. Und ich sehe, wie sich seine dicken Sabberlippen bewegen, aber irgendetwas hindert mich daran, die Frage zu hören. Er sagt so: Bla, bla, Berg oder Tal? Und ich starre nur auf seine Sabberlippen. Beim ersten Mal marschiert er zu mir rüber, stellt sich direkt neben mich und sagt, Also? Und ich kann ihn nur ansehen und sagen, Weiß nich. Dann versucht er es noch mal, diesmal direkt vor meinem Gesicht. Bla, bla, Berg oder Tal, und in welcher Region in Frankreich? Wieder dringt er einfach nicht zu mir durch. Die Sabberlippen sind zu mächtig, und direkt neben meinem Gesicht ist es einfach unmöglich, sie zu ignorieren. Diesmal boxt er mich, voll gegen die Schulter. Packt mich am Pullover und schüttelt mich hin und her. Sein Kopf ist jetzt glühend rot, und er bellt volles Rohr, Bla, bla, verdammt noch mal, bla, scheiß Gletschersee, bla, bla, scheiß Bergregion, bla oder Tal? Aber er könnte genauso gut sagen, Guck dir meine dicken Sabberlippen an, die dir Sprechkäse direkt ins Gesicht spucken.
Ich zucke mit den Schultern und sage einmal mehr: Weiß nich, und er zerrt mich am Kragen aus der Klasse, schleudert mich gegen die Garderobenhaken und sagt mir, ich soll seine Geduld nie wieder auf die Probe stellen und hier draußen über mein Leben nachdenken. Es kommt allerdings noch schlimmer, weil hier draußen auf dem Flur Jack Downs auf Patrouille ist, unser Sozialkundelehrer und frisch ernannter Stufenleiter. Jack ist ein gescheiterter Hurleyspieler mit einer Narbe an der linken Schläfe, weil er als Kleinkind in irgendeinem Kaff in einen Traktorunfall verwickelt war. In seiner Hurleywelt war er wohl der tollste Hecht aller Zeiten, aber seit sie ihn aus dem Kerry-Team geschmissen haben und er Lehrer geworden ist, verarbeitet er am allerliebsten Schuljungen zu Pflaumenmuß. Egal warum, egal wann, egal wo, er steht einfach drauf. Und nicht so harmlose kleine Schulterboxer hier und da. Nix da, der legt sich so richtig ins Zeug. Verpasst dir eine riesendramatische Tracht Prügel quer durchs Klassenzimmer und dazu eine Slow-Motion-Standpauke, untermalt mit Schlägen. Normalerweise darüber, was das für Tiere sind, die dieses Land derzeit hervorbringt. Nur dass er sagt: Was, bäm, das, bäm, für Tiere sind, bäm, bäm, die, bäm, dieses Land, bäm, bäm, derzeit, bäm, hervorbringt. Bäm bedeutet, dass er dir ins Kreuz haut oder seitlich gegen den Kopf.
Mich knöpft er sich an diesem Fats-Madigan-Tag vor, schleift mich zurück in die Klasse und fragt Fats, warum ich vor die Tür musste. Als er hört, dass ich einem Erdkundelehrer gegenüber unverschämt still war, dreht er durch und zieht seine Standpauken-Prügel-Nummer quer durch die Klasse ab, nur dass seine Prügelfrage diesmal auf mich zugeschneidert ist. Mir, bäm, antwortest du, bäm, bäm, jetzt, bäm, auch nicht, bäm, bäm, was?
Normalerweise würde der arme Kerl, mit dem er die Standpauken-Prügel-Nummer durchzieht, mittlerweile in Tränen ausbrechen, aber so, wie die Dinge für mich in letzter Zeit gelaufen sind, tänzle ich mit Downs einfach quer durch die Klasse, bis er fertig ist. Ich spüre die Schläge und Ohrfeigen kaum, und seine Worte höre ich auch nicht. Nur ein klitzekleiner Teil von mir, ein winzig kleines
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