Nichts für Anfänger - Roman
das wird geil.
Und ich habe tatsächlich recht. Zwei Tage lang hat Vater Jason alles unter Kontrolle. Er ist kalt wie eine Hundeschnauze, durch und durch. Er bringt den Ball ins Rollen, indem er uns erst mal Tee und Kekse gibt (was vermutlich auch der Grund ist, warum nur zwanzig mitmachen dürfen – sie haben nur zwanzig Tassen), und dann schart er uns alle in einem dunklen Raum mit dickem Teppich, an die Wände geschobenen Stühlen und dem Licht von nur drei oder vier Kerzen in einem Sitzkreis um sich. Er erzählt uns alles davon, wie er Alkoholiker war und sein Leben ruiniert hat und dass er vorher, in seinem alten nichtpriesterlichen Leben, eine Familie hatte und wie er einmal seiner Frau mitten ins Gesicht geschlagen und seinen Kindern Geld geklaut hat, um den Alk und sogar Drogen zu bezahlen.
Und eines Tages, sagt er, an seinem absoluten Tiefpunkt, seine ganzen dreckigen Lumpen von oben bis unten voll mit Kotze, stolpert er direkt im Zentrum von Dublin an einer Kirche vorbei. Die Tür steht halb offen, und aus irgendeinem, ihm selbst unbekannten Grund macht er, statt dran vorbeizutorkeln oder in eine Ecke zu pissen, gegen einen Mülleimer, wie er es sonst so gerne getan hat, schlägt einen linken Haken und geht hinein. Die Kirche ist leer, und die Geschichte endet damit, dass er ausgestreckt vor dem Altar liegt, einfach direkt auf dem Boden, mit ausgestreckten Armen, wie ein Kreuz. Und er weint, heult sich richtig die Augen aus und schreit Gott durch seine dicken, wütenden Tränen hindurch an und sagt Dinge wie: Hier bin ich, du Arschloch! Ich bin endlich hier! Vater Jason benutzt tatsächlich das Wort »Arschloch«, was uns alle umhaut, wenn man bedenkt, dass er ein Priester ist und davon erzählt, in einer Kirche zu sein und mit Gott selbst zu reden, und dann redet er auch noch mit Schuljungen, die normalerweise von ihren Lehrkörpern, was Flüche angeht, allenfalls mal »Rowdy« oder so zu hören bekommen. Aber egal, er sagt jedenfalls: Hier bin ich, du Arschloch! Ich bin endlich hier! Und ich bin ein wertloses Stück Scheiße, also setz meinem scheiß Leben verdammt noch mal ein Ende! Komm schon! Töte mich!
Und er wartet und wartet und bettelt darum, einfach getötet zu werden. Er hasst sich selbst so sehr und hasst, was er seiner großartigen Frau angetan hat und seinen Spitzenkindern, und er will einfach nur noch sterben. Komm schon, du kranker Hurensohn, sagt er zum Altar, mittlerweile auf Knien, mit Tränen und allem Drum und Dran. Töte mich.
Und was dann passiert, ist der Hammer, er sieht nämlich hinterm Altar jemanden auf sich zukommen. Es ist kein Priester oder ein Mensch oder ein Engel. Es ist alles und niemand. Eine Erscheinung, ein Licht. Und die Gestalt sagt nicht viel zu Vater Jason. Aber sie sagt genug. Nur drei Worte, die sein Leben für immer verändern und ihn von einem dreckigen, versoffenen, vollgekotzten Alki zu einem Mann Gottes machen. Welche drei Worte? »Du wirst geliebt.«
Und jetzt, wo Vater Jason seine Geschichte erzählt, sieht man im Kerzenlicht, dass er Tränen in den Augen hat. Ich sehe mich nicht nach den anderen Jungs um, aber mir geht es genauso. Weil genau jetzt und hier will ich genauso sein wie Vater Jason da unten auf dem Boden, in seinen Lumpen in dieser Kirche, und ich will wissen, dass ich geliebt werde. Und genau auf diese Art geliebt, von einer magischen Himmelsmacht, die alles über mich weiß und alles über mein Leben weiß und mich trotzdem einfach nur liebt und mich mit riesigen, schwebenden Wattearmen aufsammeln und an sich drücken und mir einen Kuss dahin geben will, wo meine Stirn endet und meine Haare anfangen, und mir langsam himmlischen Atem einhaucht und mir sagt, dass ich in Sicherheit bin.
Dem hammermäßigen Anfang folgen zwei hammermäßige Tage. Vater Jason hat die Messlatte hoch oben angesetzt, und da bleibt sie auch. Tag eins fängt mit ein paar Gebeten an, einer Runde Rosenkranz, und danach spielen wir ein ziemlich cooles Plauderspiel, das heißt »Der schönste Tag meines Lebens und der schlimmste Tag meines Lebens«. Dabei geht Vater Jason reihum den Kreis durch, von einem zum anderen, und bittet uns darum, der Gruppe zu erzählen, wann wir uns im Leben am schlimmsten gefühlt haben, und nach einer kurzen Pause und einem tiefen Atemzug zu erzählen, wann wir uns am besten gefühlt haben. Ziemlich einfach. Aber trotzdem total cool.
Also die kleineren Jungs aus der Fünf und Sechs haben noch ein ziemliches Brett vorm Kopf. Aber auf
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