Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
seinem Garten überrascht.
»Ich heiße Haven Moore.«
Der Mann nickte. Seine blassen Augen waren milchig blau, getrübt durch einen grauen Star. »Was macht so ’n junges Mädchen wie du hier ganz alleine? Du weißt schon, dass der Wald hier voller Klapperschlangen ist, oder?« Er schüttelte einmal die Holzkiste und Haven hörte das wütende Zischen mehrerer Schlangen.
»Ich bin nicht allein«, erwiderte Haven, die versuchte, das Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen. »Mein Freund Beau ist gerade noch mal zurück zum Auto gegangen, um unser Essen zu holen. Er kommt sicher jeden Moment wieder.«
»Mit wem redest du da, Earl?« Leah Frizzell trat zwischen den Bäumen hervor. Sie trug einen ausgeblichenen blauen Kittel, der den Eindruck erweckte, als wäre er vielleicht einmal ein Kissenbezug gewesen, und ein Paar schwarze Arbeitsstiefel. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, sodass die Ohren umso mehr von ihrem länglichen, schmalen Gesicht abzustehen schienen.
»Ist das das Mädchen, von dem du mir erzählt hast?«, wollte Earl wissen und deutete mit einem knorrigen Finger auf Haven. »Die dir dieses Kleid geschenkt hat?«
Leah schien kein bisschen überrascht. »Hey!«, rief sie Haven zu, als wären sie alte Freunde. »Ich hab gehofft, dich hier zu treffen. Haven Moore, das ist mein Onkel, Earl Frizzell.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Haven zu dem alten Mann. »Woher wusstest du, dass ich hier bin, Leah?«
»Manchmal weiß ich so was einfach«, erwiderte das Mädchen nüchtern.
»Äh, Leah?«, fragte Haven nervös. »Hast du mich etwa verfolgt?«
»Nicht verfolgt – nur beobachtet«, korrigierte Leah. »Und da bin ich nicht die Einzige.«
»Die Leute da unten glauben, du wärst von ’nem Dämon besessen, hab ich recht?«, fragte plötzlich Earl und stellte seine Kiste auf einem Felsen am Rand des Beckens ab.
Einen Moment lang war Haven zu schockiert, um etwas zu erwidern. Sie sah Leah an, die sich über die Direktheit ihres Onkels zu amüsieren schien. »Ich weiß nicht, Sir«, sagte Haven schließlich unsicher.
»Leah sagt, du siehst Dinge.«
Haven wand sich innerlich. Der Mann war seltsam hartnäckig. »Ich spreche darüber nicht so gern, Mr Frizzell.«
Leah schaltete sich ein. »Was Earl dir damit sagen will, ist, dass wir nicht an diese Dämongeschichte glauben.«
Völlig unerwartet glomm ein Fünkchen Hoffnung in Haven auf. »Nein?«
»Kennst du unsere Kirche?« Leah deutete in Richtung der Bergkuppe, wo das kleine weiße Gebäude hinter den Bäumen versteckt lag. »Unser Glaube lehrt uns, dass der Herr manchen Menschen besondere Gaben verleiht. Uns Dinge sehen lässt, die anderen verborgen bleiben. Eine dieser Glücklichen bin ich. Und ich hab so das Gefühl, du auch. Wenn ja, können wir dir vielleicht helfen.«
Haven spürte, wie ihr Blick zu den Kisten wanderte, die zu Earls Füßen standen.
Der Mann schlug sich aufs Knie und ließ ein hohes Lachen ertönen. »Keine Sorge, wir zwingen dich schon nicht, eine Schlange anzufassen, wenn du nicht willst. Und wir rollen uns auch nicht die ganze Zeit auf dem Boden rum.«
»Haven?« Beau hatte die Stimmen gehört und kam eilig auf die Lichtung gestolpert. »Alles in Ordnung?«
»Ja. Leah und ihr Onkel haben mir gerade von ihrer Kirche erzählt.«
Der alte Mann stand auf und nahm seine Kiste. Obwohl er an die fünfzehn Zentimeter kleiner war als Beau, schaffte er es irgendwie, den Jungen prüfend von oben bis unten zu mustern. »Ben Deckers Sohn, stimmt’s?«
»Der bin ich«, erwiderte Beau gereizt. In Snope City, wo jeder wusste, dass er schwul war, folgte auf diese Frage meistens ein spöttisches Kichern oder ein finsterer Blick.
»Dann bestell deinem Daddy schöne Grüße von mir.« Earl blickte wieder Haven an. »Gottesdienst ist um zehn Uhr morgens, mittwochabends um sechs.«
»Bis dann«, fügte Leah hinzu, als wüsste sie bereits, wie Haven sich entscheiden würde.
Zurück in Snope City, lenkte Beau den Wagen auf den Parkplatz von Cope’s, stellte den Motor ab und wandte sich Haven zu.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein«, stöhnte er. Sie hatten die gesamte Rückfahrt über gestritten.
»Kannst du auch noch was anderes sagen?«, erwiderte Haven. »Was ist denn so schlimm daran, wenn ich morgen mal mit den Frizzells in den Gottesdienst gehe? Ich hab dir doch gesagt, dass Leah auch Dinge sieht, genau wie ich.«
»Jeder sieht wahrscheinlich ›Dinge‹, wenn er sich becherweise Strychnin
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