Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
sie zu ihren Plätzen geführt wurden, achtete Haven sorgsam darauf, nicht auf das Bild zu treten.
»Waren wir schon mal hier?«, flüsterte Haven, als sie schließlich an einem Tisch saßen. »Dieses Mosaik …«
»Erkennst du es wieder?«
Haven nickte. Irgendetwas an dem Bild wirkte gleichzeitig faszinierend und verstörend auf sie.
»Ich war mir nicht sicher, ob du dich erinnern würdest«, erwiderte Iain. Er nahm ihre Hand und fuhr die Linien auf ihrer Handfläche nach, als stünde dort auf ihrer Haut eine Geschichte geschrieben. »Es gab einmal ein ganz ähnliches, in einer Villa auf der Insel Kreta. Der Mann, dem das Haus gehörte, war sehr reich und mächtig. Manche Leute glaubten, er wäre ein Zauberer, aber das stimmte eigentlich nicht. Auf jeden Fall wussten seine Nachbarn genug, um ihn zu meiden, wann immer sie konnten. Sie behaupteten, dass ihr Verstand in seiner Gegenwart wie benebelt war. Wenn er in ihren Geschäften einkaufte, gingen diese anschließend zugrunde. Ganze Familien zerbrachen, nachdem er sie besucht hatte.
Bei einem dieser Besuche lernte er ein junges Mädchen aus einer angesehenen Familie kennen und verliebte sich unsterblich in sie. Als er um ihre Hand anhielt, konnte der Vater ihm den Wunsch nicht abschlagen. Es war deutlich, wie sehr er das Mädchen verehrte. Sie selbst war zu jung, um es besser zu wissen, und glaubte wirklich, dass sie ihn auch liebte. Doch mit der Zeit begann er, sich Sorgen zu machen, dass sich ihre Gefühle für ihn ändern könnten. Dass sie jemanden kennenlernen könnte, den sie mehr liebte als ihn. Der Gedanke, sie zu verlieren, trieb ihn regelrecht in den Wahnsinn, und so sperrte er sie in seiner Villa ein. Viele Jahre brachte sie damit zu, Kleider zu nähen, die niemand je zu sehen bekommen würde, und sie begann, die Welt jenseits ihres Gefängnisses an ihre Schlafzimmerwände zu malen.
Eines Tages, als der Mann nicht zu Hause war, brach in der Villa ein Feuer aus. Es war so lange her, dass irgendjemand die Ehefrau des Mannes zu Gesicht bekommen hatte, dass nur ein einziger Diener daran dachte, sie zu retten. Als er das Mädchen halb tot fand, brachte er sie in das Haus zweier Freunde und versteckte sie dort. Während das Mädchen sich erholte, verliebten die beiden sich ineinander, und als es ihr gut genug ging, flüchteten sie zusammen nach Rom. Ihr Ehemann verbrachte den Rest seines Lebens damit, nach ihr zu suchen.«
»Ist das eine wahre Geschichte?« Ein einzelnes Bild war in Havens Gedanken haften geblieben. Sie sah einen Raum mit Mosaikfußboden. Blumenübersäte Wiesen erstreckten sich in jeder Richtung bis zum Horizont. Nur aus bestimmten Blickwinkeln konnte man sehen, dass das wogende Gras und der leuchtende Himmel bloß auf die Wände gemalt waren.
»Im Prinzip ja«, antwortete Iain. »Hier und da hab ich sie vielleicht ein bisschen ausgeschmückt.«
»Es ist unsere Geschichte, nicht wahr?«
Iain blickte sie von der anderen Seite des Tisches an. Seine ernsten, grünen Augen schienen in ihrem Gesicht nach einer Ermunterung zu suchen, fortzufahren. »Ja.«
»Wie lange ist das alles her?«
»Julius Caesar starb, kurz bevor wir nach Rom aufbrachen. Nach heutiger Zeitrechnung war das im Jahr vierundvierzig vor Christus.«
Eine Million Fragen wirbelten in Havens Kopf durcheinander. Doch bevor sie die erste davon über ihre Lippen kommen ließ, vergewisserte sie sich, dass auch niemand anderes am Tisch ihnen zuhörte. Dieses Gespräch klang schon in ihren eigenen Ohren ziemlich verrückt. Ein Zuhörer würde mit Sicherheit denken, sie hätten beide den Verstand verloren. »Also kennen wir uns seit zweitausend Jahren?«
»Vielleicht sogar noch länger. Was die Zeit davor angeht, wird sogar meine Erinnerung etwas trüb.«
»Und wir waren die ganze Zeit über dieselben Menschen?«
»Nicht ganz. Jedes Leben verändert uns ein kleines bisschen. Aber im Wesentlichen bleiben wir dieselben. So wie Rom – hier hat sich auch seit vierundvierzig vor Christus eine ganze Menge verändert, aber in vielerlei Hinsicht ist es noch immer dieselbe Stadt.«
»Kommt denn jeder Mensch immer wieder auf die Erde zurück?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Iain. »Nur diejenigen, die etwas haben, was sie hier hält. Ich glaube nicht, dass es viele von uns gibt.«
»Und was hält dich hier?«
»Du.« Iain gab dem Kellner ein Zeichen, der kurz verschwand, um gleich darauf mit einer Karaffe Rotwein wieder aufzutauchen, von dem er ihnen einschenkte. Haven sah
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