Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
Unterwäsche herum, vollkommen ahnungslos, dass die ganze Welt ihnen dabei zusehen konnte. Haven, die eine längere Fahrt in die oberen Gegenden Manhattans erwartete, lehnte sich in ihrem Sitz zurück und beobachtete, wie die Stadt an ihr vorbeizog. Doch die Fahrt endete überraschend schnell. Der Mercedes bog nach Westen auf die Einundzwanzigste Straße ab und hielt schließlich vor einer umgebauten Autowerkstatt, deren Straßenfront nur aus einer einzigen Glasfläche bestand. In Havens Herz klaffte ein Riss auf. Hunderte von Menschen hatten sich in dem Gebäude zu einer Party versammelt. Sie stolzierten hinter dem Fenster auf und ab wie Tiere in einem bizarren Zoo. Und kein Einziger von ihnen sah aus wie ein neunhundert Jahre alter Anwalt.
Haven bezahlte das Taxi und beobachtete aus dem Schatten auf der anderen Straßenseite, wie Iain sich durch die Menge schlängelte. Alle, an denen er vorbeikam, drückten ihm einen Kuss auf die Wange, klopften ihm auf die Schulter oder flüsterten ihm etwas ins Ohr. Havens Herz brach entzwei, als sie begriff, dass es seine Party war. Und sie war nicht eingeladen. Angetrieben von ihrer Wut gesellte sich Haven unauffällig zu einer Gruppe von Mädchen, die mit den beiden Türstehern flirteten, und folgte ihnen auf die Party.
Das Gebäude beherbergte eine Kunstgalerie, und an den strahlend weißen Wänden hingen Gemälde. Haven blieb vor einem der Bilder stehen. Die Pinselstriche waren breit und wild und die Farben so leuchtend, dass sie fast lebendig schienen. Das Werk zeigte das alte Rom, das in Flammen stand. Im Hintergrund sah man Tempel in sich zusammenstürzen, während winzige Bürger um ihr Leben rannten. Im Vordergrund, weit weg vom Geschehen auf der anderen Seite der Leinwand, saß eine schattenhafte Gestalt ganz in Schwarz auf einem der Hügel über der Stadt und betrachtete entspannt das Chaos in der Ferne. Die Figur war kaum größer als vier, fünf Zentimeter – leicht zu übersehen inmitten all der Farbstrudel.
Erschüttert ging Haven weiter zum nächsten Bild. Dort sah derselbe Mann von einem Rettungsboot aus zu, wie ein Passagierschiff in den dunklen Wogen des Meeres versank. Ein drittes zeigte eine entsetzte Blondine, die ihren Ehemann mit einer anderen Frau belauschte. Auch sie wurde beobachtet. Es gab noch Dutzende Gemälde mehr. Katastrophen und Tragödien. Szenen von Anarchie und Aufruhr. Und in jedem von ihnen, irgendwo verborgen im Vordergrund, lenkte die dunkle Gestalt das Geschehen wie der Dirigent einer düsteren Sinfonie.
»Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, Kritiker und Schmarotzer.« Von ihrem sicheren Versteck in der Menge aus sah Haven Iain auf einer niedrigen Bühne in der Mitte der Galerie stehen. Er hatte den Arm um eine dürre junge Frau in einem schwarzen Kleid gelegt, das eher an einen Müllsack mit Gürtel erinnerte. Ihre Augen, mit schwarzem Kajal umrandet, blinzelten unter langen, dunklen Ponyfransen hervor. Im harten Licht der Galerie wirkte ihre Haut noch weißer als die Wände, und sie sah aus, als litte sie an Schwindsucht oder einer anderen altmodischen Krankheit. Haven war beinahe überrascht, dass das Mädchen allein stehen konnte – und noch überraschter, als ihre leuchtend roten Lippen sich zu einem Lächeln verzogen, das an das des Jokers aus Batman erinnerte.
»Vielen Dank, dass Sie alle zur Eröffnung von Marta Vegas neuer Ausstellung ›Die Wurzel allen Übels‹ gekommen sind«, fuhr Iain fort. »Wie Sie alle wissen, bin ich ein großer Fan von Martas Arbeit und habe nun die Ehre, ihren außergewöhnlichen Gemälden ein vorübergehendes Zuhause in der Galerie meines verstorbenen Vaters zu bieten. Natürlich hoffe ich auch, dass einige von ihnen einen dauerhaften Platz in meinem Wohnzimmer finden – sofern meine Brieftasche dabei mitmacht.« Die Menge kicherte wissend. »In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß – mit den Bildern, miteinander und vor allem mit den Freigetränken. Danke.«
Den Arm immer noch um Marta Vega gelegt, verließ Iain die Bühne und hielt schnurstracks auf die Bar zu. Haven ging ihnen hastig aus dem Weg und verschwand um eine Ecke, von wo aus sie zuschaute, wie die beiden Drinks bestellten und vor aller Augen miteinander tuschelten. Haven konnte sich lebhaft vorstellen, was die anderen Gäste dazu sagten. Jeremy Johns Leiche war erst vor zwei Tagen gefunden worden, und jetzt waren sie hier – der Verdächtige und das Motiv. Die beiden schämten sich offensichtlich nicht,
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