Nichts
als du es dir vorstellen kannst.“
„Tut gut zu hören“, flüstere ich in das Gerät.
Jetzt doch wieder etwas unsicher, ob ich meine voreilige Ankündigung wirklich um- oder durchsetzen kann.
„Bist du denn schon fertig mit deiner Arbeit?“, wundert sie sich prompt.
„Kurz davor!“, lüge ich, da mir auf die Schnelle nichts Besseres in den Sinn kommt. „Setz dich mal hin, Liebes. Ich muss dir erzählen, was mir heute passiert ist. Dann weißt du auch, warum ich dich in der Früh nicht anrufen konnte“.
„Ich sitze schon.“
Noch immer ganz aufgebracht über das, was ich den Tag über erfahren hab, weiß ich nicht so richtig, wo anfangen.
„Am besten vorne.“, schlägt Julie vor.
Jaja. Wäre ich auch selbst drauf gekommen…, gäbe es da nicht ein kleines Problem! Ich muss mich bemühen, nicht zu weit auszuholen und vor allem, nicht alles zu erzählen. So springe ich gleich zu der Stelle, an der ich das Ehepaar de Noirbouclier kennen gelernt hab. Für mich eine der wichtigsten Schlüsselstellen: Schwarze, leere Augen! Hört sich auf einmal so harmlos an. Doch Puh , war das ein Entsetzen! Gerade noch rechtzeitig allerdings, kriege ich den Bogen und umgehe dann doch lieber diesen speziellen Punkt. Darf Julie keinesfalls noch mehr in Unruhe versetzen! Also beschränke ich mich darauf, ihr zu berichten, dass es sich bei Nathan um den Vorsitzenden des EINAI-Projektes handelt, wie ich später noch erfahren habe.
Und nicht nur um den Vorsitzenden, sondern gleichfalls um das Oberhaupt eines uralten Volkes namens Aobaynam . Deren Ursprünge reichen mehr als elftausend Jahre zurück – ich habe entsprechend alte Schrifttafeln sehen dürfen. Damit ist die Menschheit älter, als bisher angenommen oder bekannt sein dürfte.
Ich vermeide es ebenso, sie mit dem Jahrgang dieser Leute zu schockieren. Selbst Barkley ist schon achthundertdreiundneunzig Jahre alt. Würde sie mir eh’ nicht glauben, solange sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, was ich heute gesehen hab. Spielt im Moment keine Rolle. Das Interessante kommt nämlich noch.
Jedenfalls hatten mich Nathan und Lorenz in einen unterirdischen Kammertempel mitgenommen. Ich wäre der erste Nicht-Aobayname , dem diese Ehre zuteilwürde, klärte mich Nathan auf. Gut, Kammer ist in diesem Zusammenhang nicht das passende Wort, auch wenn beide sich so ausdrückten. Es handelt sich bei dieser 'Kammer' in Wirklichkeit nämlich eher um ein unterirdisches Stadion . Ein Stadion, in dem man zehn Fußballfelder unterbringen könnte. Das eigentlich umwerfende daran ist aber, dass es sich dabei um das Negativ der Cheops-Pyramide handelt. Ein in den Fels gehauenes Gegenstück, sozusagen.
Alle Flächen sind schwarz, poliert und jeder Zentimeter davon mit einer mystischen Inschrift graviert. Siebenundsechzigtausend Quadratmeter okkulte Legende.
Ich hatte Julie dieser Tage schon vom Pyramidenwahn hier draußen erzählt, also kennt sie das oberirdische der beiden Bauwerke, zumindest vom Hörensagen.
„Dieser Gegendruck ist aber noch faszinierender, glaub mir“, versichere ich ihr aufgewühlt.
So viel in so kurzer Zeit wie heute habe ich selten erfahren. Eigentlich noch nie.
„Das was mir diese Leute gezeigt und erzählt haben, erklärt so einiges, Schatz. Wenn nicht sogar alles. Mist! Ich glaub, ich hab’ schon die Hälfte vergessen.“
„Komm runter Liebling! Du überschlägst dich ja gleich.“, werde ich liebevoll ermahnt.
Sie hat Recht. Ich rede wie ein Buch. Gedanken kreisen wie eine Horde wilder Bienen durch meinen Schädel. Ich muss sie endlich freilassen!
„Wo war ich stehen geblieben?“, versuche ich zu erinnern.
„Geheimnisvolle Legenden in den Stein gehauen?“
Ja, richtig! Da unten herrscht völlige Dunkelheit. Nicht der Hauch eines Lichtstrahls. Zum Glück hatte ich noch immer diese große Taschenlampe – und durfte sie auch benutzen. Ich traute meinen Augen nicht, was dort unten für Schätze liegen. Uralte Kunstwerke, Gemälde, Plastiken – Jahrtausende alt! Ich hielt einen goldenen, mit Lapislazuli überzogenen Dolch, aus dem Jahre Zweitausenddreihundert vor Christi in den Händen, stand vor einer kunstvoll verzierten, goldenen Statue eines Schafbocks, weit über achttausend Jahre alt und sah prächtige, Edelstein prunkende Kronen großer Könige. Dazu eine gigantische Sammlung von Aufzeichnungen, Schrifttafeln,
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