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Nichts

Nichts

Titel: Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Louis
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ich weiß nicht…, eine wabbelnde Masse aus rotem Gelee, weißen und schwarzen Federn. Der Pilot meinte, es könnte sich dabei um die Kadaver von Weißkopfseeadlern handeln, die sich zu dieser Jahreszeit zu tausenden hier oben treffen würden um Lachse zu fangen. Man konnte den aufsteigenden Gestank förmlich riechen. In Sibirien überflogen wir nur wenige Zeit später riesige Karibu-Herden, die verendet und wie an einer Perlenschnur aufgezogen eine breite, meilenlange Straße aus verfaultem Fleisch und Fell formten. Vermodert und aufgeplatzt. Ein seltsam grünlicher Nebel lag über ihnen… sowie über der ganzen Tundra. Meile für Meile für Meile.“
       „Scheiße!“, ist alles, was ich rausbring.
       „Der Nord Pazifik, die Küsten von Russland und Japan, glichen einer dampfend schäumenden Badewanne, aus der Milliarden bunte Seifenblasen aufstiegen. Ein Ozean aus Seifenblasen, die durch die Luft flogen wie Blütenpollen in einem frühlingshaften Märchenland.“
       Dabei dachte ich sofort wieder an diesen Harper. Er hieß doch so, oder nicht? Allerdings benutzte er weit weniger Paraphrasen.
       „In China ging es geradewegs weiter…“, nun schaut er mich gespannt an, vielleicht so als ob er sich vergewissern wolle, ob ich überhaupt noch weitere Details erfahren möchte.
       Nur raus damit, mein Freund…, wir haben noch genügend Seelentröster!
       „…allerdings.“, beendet er dann seinen Bericht abrupt und wirft seine leere Flasche aufs Bett.
       „Noch eine? Was denkst du?“, lenkt er vom Thema ab.
       „Nun komm schon! In China…?“, fordere ich ihn auf.
       „Menschen!“
       „Menschen was?“, hake ich ungeduldig nach, versuche ihm das Wort aus der Nase zu ziehen und stehe auf, um seinem Wunsch nach Drogen zu entsprechen.
       Brauche selbst noch Nachschub. Nach drei oder vier dieser Dinger verliert man die Selbstbeherrschung. Scheiß drauf, bei dem, was ich da höre.
       „Waren es in der Tundra noch Karibus oder Rentiere, so donnerten wir in China über Berge, die aus brennenden, qualmenden Leichen bestanden. Menschenleichen! Genau genommen brannte das ganze Land. Da wir von irgendwelchen Boden-Luft-Raketen beschossen wurden, stieg der Pilot auf sieben- oder achttausend Fuß, mitten durch eine schwarze Wand aus Asche, die sich für Stunden nicht mehr auflösen sollte.“
       Meine Bewegungen frieren ein. Ich hatte es befürchtet, aber die ganze Zeit - seit Las Vegas – in meiner Dummheit gehofft, all diese Dinge wären kleine, lokale Erscheinungen. Ich hab sie verdrängt! Immer wieder von mir geschoben. Die grauenhafte Geschichte, die sich zuhause bei Julie abgespielt hatte - verdrängt. Alles verdrängt. Wie in Zeitlupe kämpfe ich gegen meine innere Starre und versuche mich zu bewegen. Robert anzuschauen.
       „Du machst Witze ?, bringe ich gerade noch heraus.
       „Glaub’s mir, Brian… Auf dem Flug ist mir klar geworden, dass es längst nicht mehr drum geht, mir und Leann einen guten Start ins Leben zu verschaffen. Vierhunderttausend Dollar! Drauf geschissen! Verdammt…, was hat Geld noch für eine Bedeutung?“
       „Wann war das?“, will ich wissen und setze mich zurück auf die Bettkante.
       „Nun,… das muss Anfang Juni gewesen sein. Vor `nem guten Jahr. Kurz nachdem wir in Al Basra auf einem Militärstützpunkt gelandet waren und uns in einer verlassen Baracke für die Nacht einrichteten, konnte ich das letzte Mal mit Leann telefonieren.“
       Dann erhebt er sich, um mein abgebrochenes Vorhaben zu vollenden. Öffnet den kleinen Kühlschrank, greift wahllos zwei Flaschen, wirft mir eine davon zu und lässt sich wieder in den Sessel fallen.
       „Ich hab ihr natürlich alles erzählt und dann gedrängt, sofort die Sachen zu packen und zu euch zu ziehen. Hatte keine Ahnung, wie lang ich hier noch aufgehalten werden würde… ob ich jemals wieder hier rauskommen könnte!“
       „Wieso hast du nicht einfach alles stehen und liegen gelassen und bist nach Hause gekommen?“
       „Nach all dem, was da draußen abläuft? Wieso bist du hier und nicht in Arizona!“, erinnert er mich, „Ich hab’ gespürt…, gehofft, dass diese Leute etwas bewegen können. Und wenn ich ihnen dabei helfen kann…“
       Dabei muss ich an Henri Poincaré denken.
     
    »Der Gelehrte studiert die Natur, nicht weil das Studium etwas Nützliches wäre. Er studiert sie, weil darin Freude ist und weil die Natur so schön ist. Wenn die Natur nicht

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