Nichts
Geldscheine und ließ gleichzeitig das Militär auffahren. Die Absicht der ersten Idee war wohl gewesen, den Leuten zu zeigen, dass es genügend Zahlungsmittel gäbe. Das Ziel der zweiten Idee war ebenso deutlich, wenngleich um einiges dümmer. Denn die jungen Soldaten spielten dieses Spiel nicht mit. Litten sie doch, vor allem aber ihre eigenen Familien, ebenso unter dem Joch eines feudalen Machtsystems. Wieso sich also gegen die eigenen Leute stellen?
Was in England begann, sollte sich in anderen Ländern fortsetzen. Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich, Spanien. Wie ein Virus breiteten sich die Unruhen aus und ergriffen einen Kontinent nach dem anderen. Schnell auch Amerika. Zeitgleich wurden die politischen Vertreter des AGG – entlarvt als lüsterne Handlanger der Banken und Industrie - auf die Straßen getrieben. Der aufgebrachte Mob prügelte sie solange vor sich her, bis sie vor Erschöpfung blutend zusammenbrachen. Dann trug man die geschundenen Körper johlend durch die Stadtzentren, um sie letzten Endes auf öffentlichen Plätzen bei lebendigem Leib zu verbrennen. Das alles war für die breite Öffentlichkeit wie ein Schrei der Erlösung.
Allerdings lösten diese Taten nicht wirklich irgendwelche Probleme, waren höchstens geeignet um angeschwollene Wut zu kühlen. Die Umwelt war nach wie vor gebrochen, das Klima am Durchdrehen und sauberes Wasser so gut wie nicht mehr vorhanden. Vor allem die Landwirtschaft, mehr als eine Lebensader, stand kurz vor dem aus. So diente der Umsturz lediglich als Liquidation einer über Jahrhunderte anerzogenen menschlichen Hemmung - nicht mehr aber auch nicht weniger. Plötzlich waren die Menschen gelöst und ungeniert. Regeln wurden außer Kraft gesetzt. Deren Einhaltung konnte ebenso wenig kontrolliert wie beeinflusst werden. Jeder gegen jeden, lautete die Devise. Man meuchelte für einen Maiskolben, erschlug für eine Flasche sauberes Wasser und schlachtete ab für einen Block Brennholz. In den Großstädten, so hörten wir, stapelten sich die Leichen. Niemand fühlte sich zuständig, sie zu beerdigen oder wenigstens aufzuräumen.
Die letzte Piratensendung von Biblion ging vor vier Wochen über den Äther. Sie brachte das Ganze so ziemlich auf den Punkt:
„Und es ging hinaus ein rotes Pferd. Und ihm ward gegeben, den Frieden zu nehmen von der Erde, dass sie sich untereinander erwürgten. Und es ging hinaus ein fahles Pferd. Und der darauf saß hieß Tod, und die Hölle folgte ihm. Und ihnen war Macht gegeben, zu töten den vierten Teil auf der Erde mit dem Schwert. Und da war ein großes Erdbeben, und die Sonne ward schwarz wie ein Sack, und der Mond ward wie Blut; und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde. Und der Himmel entwich wie ein zusammengerolltes Buch; und alle Berge und Inseln wurden bewegt von ihrem Platz. Und die Könige auf Erden und die Großen und die Reichen verbargen sich in den Klüften unter den Bergen. Denn es ist gekommen der große Tag seines Zorns, und wer kann bestehen?“
Während ich hier im Schatten der Apfelbäume der Morgenhitze zu entkommen suche und jeden auch noch so leichten Windzug wie einen kühlen Drink aufsaugen möchte, beschäftigen sich meine zwei Frauen mit Arbeit. Die Temperatur dürfte so um die vierundvierzig Grad im Schatten betragen, was gerade noch erklären mag, warum ich mich nicht bewegen möchte, aber keinesfalls, warum die Frauen fleißig scheinen. Brütend warm. Jedenfalls lehnt neben mir die alte Winchester , ein Repetiergewehr Baujahr 1873. Will nicht noch einmal einer Schlange – oder schlimmerem - unbewaffnet gegenüberstehen. Das Gewehr ist tadellos in Schuss, wenn man das Wort 'Schuss' in diesem Zusammenhang überhaupt verwenden darf. Zuständig für die Sicherheit, erhebe ich mich pflichtgemäß aber ungern, um einen kleinen Kontrollgang zu unternehmen. Ich greife den heißen Lauf der Waffe und mache mich gemächlich auf den Weg.
Nur nichts überstürzen.
Bestimmt gebe ich ein lustiges Bild ab. Es scheint, als ob das eingetroffen ist, was sich vor langer Zeit beim Erwerb dieses Grundstücks, vor meinem sentimentalen Auge abgespielt hatte. Der alternde Cowboy auf seiner Ranch. Nun stehe ich tatsächlich hier, in zigfach geflickten Jeans, einem verwaschenen T-Shirt, unrasiert und mit schulterlangem grauen Haar. Selbst die Randbedingungen treffen genau ins Schwarze. War nicht auch der Wilde Westen seinerzeit ebenso gesetzlos, chaotisch und wirr?
Ich
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