Nick Adams Stories
verwickelt.»
«Wahrscheinlich», sagte Nick.
«Es ist eine verteufelte Sache!»
«Es ist eine scheußliche Sache», sagte Nick.
Sie sagten nichts. George langte nach einem Lappen und wischte die Theke ab.
«Was er wohl getan hat?» sagte Nick.
«Sicher wen reingelegt. Dafür killen sie einen.»
«Ich mach, daß ich hier aus der Stadt rauskomme», sagte Nick.
«Ja», sagte George. «Das ist wohl das Vernünftigste.»
«Ich kann das nicht aushalten, mir vorzustellen, wie er da in seinem Zimmer wartet und genau weiß, daß er dran glauben muß. Es ist zu verflucht schrecklich.»
«Tja», sagte George, «am besten, du denkst nicht dran.»
Das letzte gute Land
«Nickie», sagte seine Schwester, «hör doch mal zu, Nickie.»
«Aber ich will’s nicht hören.»
Er schaute auf den Boden der Quelle hinunter, wo das sprudelnde Wasser kleine Sandwirbel aufsteigen ließ. Neben der Quelle steckte ein gegabelter Stock im Kies, an dem ein Blechbecher hing. Nick Adams sah zu dem Becher hinüber und dann wieder auf das Wasser, wie es hochstieg und dann klar in seinem kiesigen Bett neben der Straße abfloß.
Er konnte die Straße in beiden Richtungen überblicken; er schaute erst zum Hügel hinauf und dann hinunter zum See und dem Landesteg, zu der bewaldeten Halbinsel jenseits der Bucht und dem offenen Wasser dahinter, wo die Wellen weiße Schaumkappen trugen. Er lehnte mit dem Rücken an einer großen Kiefer. Hinter ihm lag kiefernbestandenes Sumpfland. Seine Schwester saß neben ihm im Moos und hatte den Arm um seine Schultern gelegt.
«Sie warten darauf, daß du zum Abendessen heimkommst», sagte seine Schwester. «Sie sind zu zweit. Sie sind in einem Zweispänner gekommen und haben gefragt, wo du steckst.»
«Hat’s ihnen jemand gesagt?»
«Außer mir hat’s niemand gewußt … Hast du viel gefangen, Nickie?»
«Ich hab sechsundzwanzig.»
«Gute?»
«Genau die Größe, die sie gern servieren.»
«Ach, Nickie, wenn du sie bloß nicht verkaufen würdest!»
«Sie gibt mir einen Dollar pro Pfund», sagte Nick Adams.
Seine Schwester war braungebrannt, und sie hatte dunkelbraune Augen und dunkelbraunes Haar mit helleren Strähnen, wo es von der Sonne ausgebleicht war. Sie und Nick, sie liebten einander; die anderen liebten sie nicht. Unter den anderen verstanden sie die gesamte restliche Familie.
«Sie wissen alles, Nickie», sagte seine Schwester verzagt. «Sie haben gesagt, sie wollen ein Exempel mit dir machen und dich in die Erziehungsanstalt schicken.»
«Sie können mir nur eine Sache nachweisen», belehrte sie Nick. «Aber vielleicht verschwinde ich doch besser für eine Weile.»
«Kann ich mit?»
«Nein. Tut mir leid, Littless. Wieviel Geld haben wir beieinander?»
« 14 Dollar und 65 Cent. Ich hab’s mitgebracht.»
«Haben sie sonst noch was gesagt?»
«Nein. Nur daß sie dableiben wollen, bis du heimkommst.»
«Die Mutter wird’s bald satt haben, sie zu füttern.»
«Zu Mittag hat sie ihnen schon was gegeben.»
«Was haben sie denn so gemacht?»
«Bloß auf der Veranda rumgesessen. Sie haben die Mutter nach deinem Gewehr gefragt, aber das hatte ich gleich im Holzschuppen versteckt, als ich sie am Zaun sah.»
«Hast du sie denn erwartet?»
«Ja. Du nicht?»
«Na ja … Eigentlich schon. Der Schlag soll sie treffen.»
«Zweimal; für mich auch», sagte seine Schwester. «Bin ich nicht groß genug, um jetzt mitzukommen? Ich hab das Gewehr versteckt, und das Geld habe ich auch gebracht.»
«Ich würde mir Sorgen machen wegen dir», erklärte ihr Nick Adams. «Ich weiß ja noch nicht mal, wo ich hin will.»
«Klar weißt du’s.»
«Wenn wir zu zweit sind, passen sie besser auf. Ein Junge und ein Mädchen, das ist auffälliger.»
«Ich geh als Junge», sagte sie. «Ich wollte sowieso immer einer sein. Wenn ich mir die Haare abschneide, merkt kein Mensch was.»
«Allerdings», sagte Nick Adams. «Das ist wahr.»
«Wir wollen das mal gründlich überlegen», sagte sie. «Bitte, Nick – bitte! Ich könnte mich auf alle mögliche Weise nützlich machen. Und ohne mich wärst du einsam. Wärst du nicht einsam ohne mich?»
«Ich bin jetzt schon einsam, wenn ich dran denke, daß ich weg muß von dir.»
«Siehst du? Und vielleicht müssen wir jahrelang wegbleiben – wer weiß? Nimm mich mit, Nickie. Bitte nimm mich mit.» Sie hielt sich mit beiden Armen an ihm fest und küßte ihn.
Nick Adams sah sie an und versuchte klar zu denken. Es war schwierig. Aber es blieb ihm keine Wahl. «Ich
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