Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
zugewachsen, daß er sich immer wieder bücken mußte, um den Ästen auszuweichen.
    «Der reinste Tunnel», sagte seine Schwester.
    «Ein Stück weiter wird’s lichter.»
    «Bin ich hier schon mal gewesen?»
    «Nein. Wenn ich dich mit auf die Jagd genommen habe, sind wir nie auch nur annähernd so weit gewesen.»
    «Führt der Weg zu dem geheimen Ort?»
    «Nein, Littless. Wir müssen erst noch quer durch einen Kahlschlag – das wird ’ne Schinderei, sag ich dir. Wo wir hingehen, da kommt keiner hin.»
    Nach einer Weile verließen sie den Holzabfuhrweg und bogen in einen anderen, noch stärker zugewachsenen ein. Dann erreichten sie eine Lichtung, auf der, von Gestrüpp und Unkraut umgeben, die alten Blockhütten des Holzfällerlagers standen. Sie waren schon sehr alt, und bei einigen waren die Dächer eingestürzt. Aber neben dem Weg war eine Quelle, und sie tranken beide daraus. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und sie fühlten sich ausgehöhlt und leer in der Morgenfrühe nach der durchwanderten Nacht.
    «Hier war mal alles voller Hemlocktannen», sagte Nick. «Sie haben sie nur wegen der Rinde geschlagen; die Stämme haben sie einfach liegen lassen.»
    «Wozu dann der Fahrweg?»
    «Sie haben wohl am hinteren Ende der Lichtung mit dem Fällen angefangen; die Rinde ist gestapelt worden, und sie haben immer weitergeschlagen, bis sie den Weg erreicht hatten und das Zeug heimlich abfahren konnten. Dann sind sie abgehauen.»
    «Und jenseits des Kahlschlags ist der geheime Ort?»
    «Ja. Das heißt, wir müssen über den Schlag, dann kommt ein Stück Straße, dann noch ein Schlag und schließlich noch ein Stück Hochwald.»
    «Wieso haben sie das ganze Holz einfach liegen lassen, nachdem sie’s geschlagen hatten?»
    «Keine Ahnung. Muß wohl jemand gehört haben, der nicht verkaufen wollte. Da haben sie vom Waldrand aus eine Menge geklaut und hinterher den Preis für das Einschlagsrecht bezahlt. Aber der schönste Teil des Waldes ist noch da, und es führt kein Weg hinein.»
    «Aber warum kann man nicht einfach am Bach entlanggehen? Der Bach muß doch von irgendwoher kommen.»
    Sie rasteten gerade vor dem anstrengenden Weg über den Kahlschlag, und Nick wollte es ihr genau erklären.
    «Sieh mal, Littless: Der Bach schneidet die Straße, auf der wir gekommen sind, und die führt durch Land, das einem Farmer gehört. Der Farmer hat es eingezäunt, als Viehkoppel, und er scheucht jeden weg, der da angeln will. Die Leute bleiben also erst mal auf der Brücke stehen, die auf seinem Land liegt. Nun läßt er aber gegenüber dem Farmhaus, an dem Abschnitt des Baches, den sie erreichen würden, wenn sie quer über seine Koppel gingen, einen Bullen weiden. Einen ganz bösartigen Bullen, der jeden sofort angreift. Es ist der bösartigste Bulle, den ich je gesehen habe, und er ist die ganze Zeit da, immer bösartig, und verscheucht die Leute. Und dann, hinter dem Farmland, kommt ein Sumpfgebiet mit Moorlöchern – da mußt du dich auskennen, wenn du durch willst. Und auch wenn du dich auskennst, ist es gefährlich. Wir gehen jetzt sozusagen durch die Hintertür zu dem geheimen Ort – über die Hügel. Denn gleich unterhalb, da ist dann der richtige Sumpf. Ein ganz gefährlicher Sumpf; da kommst du nicht durch … So, und jetzt machen wir uns wohl besser auf den Weg. Jetzt wird’s anstrengend.»

    Das schlechte Stück lag hinter ihnen und das ganz schlechte Stück auch. Nick war über viele Stämme gestiegen, die mehr als mannshoch im Weg lagen, und über andere, die ihm bis zur Hüfte reichten. Jedesmal, wenn er oben war, legte er das Gewehr auf dem Stamm ab und zog seine Schwester herauf; sie rutschte dann auf der anderen Seite hinunter, oder er kletterte voraus und half ihr beim Abstieg. Sie bahnten sich den Weg durch niedriges Buschwerk, oder sie umgingen es. Es war heiß in der Lichtung, und der Blütenstaub von allem möglichen Unkraut setzte sich in den Haaren des Mädchens fest und brachte sie zum Niesen.
    «Verdammte Abholzerei!» sagte sie zu Nick. Sie rasteten gerade auf einem mächtigen Stamm, um den an der Stelle, wo sie saßen, eine ringförmige Kerbe vom Abschälen der Rinde verlief. Der Ring war grau in dem verrottenden grauen Holz, und überall in der Runde lagen andere graue Stämme und dürre Äste, von grauem Gestrüpp umstanden; nur das nutzlose Unkraut blühte in leuchtenden Farben.
    «Das ist der letzte Schlag», sagte Nick.
    «Ich hasse sie», sagte seine Schwester. «Und das verdammte Unkraut

Weitere Kostenlose Bücher