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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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und ließ die Zügel schlaff auf den Rücken der Pferde hängen.
    Nick betrachtete den Wagen und fragte sich, wohin er wohl fahren mochte und ob der Mann auf dem Bock wohl nahe am Mississippi lebte und ob er je angeln ging. Der Wagen holperte die Straße entlang aus dem Blickfeld, und Nicks Gedanken wanderten zu den Spielen der World Series, die gerade in New York stattfanden. Er dachte an Happy Felschs home run in dem ersten Spiel, das er im White Sox Park gesehen hatte, Slim Solee, wie er mit dem ganzen Körper warf, so daß sein Knie fast den Boden berührte, und Felsch, wie er mit gesenktem Kopf losraste, auf das weiße, gepolsterte Quadrat der first base zu, während der Ball als weißer Punkt in hohem Bogen auf den grünen Zaun am center field zuflog, und dann das triumphierende Gebrüll der Zuschauer, als der Ball in einem Knäuel strampelnder Fans oben auf den nicht überdachten Plätzen landete.
    Als sich der Zug in Bewegung setzte und die staubigen Bäume und die bräunliche Straße draußen vorbeizugleiten begannen, kam ein Zeitungsverkäufer den Mittelgang entlanggeschwankt.
    «Was Neues von der Series?» fragte ihn Nick.
    «White Sox haben das Endspiel gewonnen», antwortete der Schlagzeilenhausierer und setzte in rollendem Seemannsgang seinen Weg zwischen den Sitzreihen des nicht unterteilten Waggons fort. Ein warmes Gefühl der Befriedigung überkam Nick bei der Antwort. Die White Sox hatten die anderen fertiggemacht. Es war ein gutes Gefühl. Nick schlug seine Saturday Evening Post auf und fing an zu lesen; zwischendurch schaute er immer wieder aus dem Fenster, ob noch nichts vom Mississippi zu sehen war. Den Mississippi überqueren, das war ein Ereignis, dachte er, und er wollte jeden Augenblick davon genießen.
    Die Landschaft draußen schien vorüberzufließen, ein Strom aus Straßen, Telegrafenmasten, flach hingebreiteten braunen Feldern und hin und wieder einem Haus. Nick hatte sich das Mississippiufer steil vorgestellt, felsig, aber dann, nachdem draußen ein endlos scheinender sumpfiger Nebenarm vorbeigeglitten war, konnte er vom Fenster aus sehen, wie die Lokomotive in einer weiten Kurve auf eine lange Brücke zufuhr, die sich über ein breites, schlammigbraunes Gewässer spannte. Drüben konnte Nick jetzt trostlose Hügel erkennen und diesseits ein flaches Lehmufer. Der Fluß schien sich wie eine kompakte Masse stromabwärts zu bewegen, er floß nicht, sondern bewegte sich wie ein kompakter wandernder See, und an den Vorsprüngen der Brückenpfeiler bildeten sich kleine Wirbel. Mark Twain, Huck Finn, Tom Sawyer und LaSalle drängten sich alle gleichzeitig in Nicks Gedanken, während er auf die weite braune Ebene träge fließenden Wassers schaute. Jedenfalls hab ich den Mississippi gesehen, dachte er vergnügt bei sich.

Krieg

Die Nacht vor der Landung
    Nick machte in der Dunkelheit eine Runde um das Deck und kam an den polnischen Offizieren vorbei, die in einer Reihe nebeneinander in Deckstühlen saßen. Jemand spielte Mandoline. Leon Chocianowicz streckte in der Dunkelheit das Bein aus.
    «He, Nick», sagte er. «Wo gehst du hin?»
    «Nirgendwo. Spazieren.»
    «Setz dich. Hier ist ein Stuhl.»
    Nick setzte sich auf den freien Stuhl und schaute zu den Männern hinüber, die vorübergingen und sich gegen den hellen Schimmer des Meeres abhoben. Es war eine warme Juninacht. Nick lehnte sich im Stuhl zurück.
    «Morgen sind wir da», sagte Leon. «Ich hab’s vom Funker.»
    «Und ich vom Friseur», sagte Nick.
    Leon lachte und sagte etwas auf polnisch zu dem Mann im nächsten Deckstuhl. Der beugte sich vor und lächelte Nick zu.
    «Er kann kein Englisch», sagte Leon. «Er sagt, er hat’s von Gaby.»
    «Wo steckt sie?»
    «Wird mit irgend jemand in einem Rettungsboot liegen.»
    «Und wo ist Galinski?»
    «Vielleicht bei Gaby.»
    Gaby war das einzige Mädchen an Bord. Sie hatte blondes Haar, das immer in Strähnen herunterhing, ein lautes Lachen, eine gute Figur und einen unangenehmen Körpergeruch. Eine Tante, die seit dem Auslaufen des Schiffes ihre Kabine nicht verlassen hatte, brachte sie zu ihrer Familie zurück nach Paris. Ihr Vater hatte etwas mit der französischen Reederei zu tun, und sie speiste am Tisch des Kapitäns.
    «Was hat sie gegen Galinski?» fragte Leon.
    «Sie sagt, er sieht aus wie ein Schweinsfisch.»
    Wieder lachte Leon. «Los», sagte er, «wir suchen ihn und sagen’s ihm.»
    Sie standen auf und gingen zur Reling hinüber. Die Rettungsboote über ihren Köpfen waren

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