Nick aus der Flasche
dass Mr. Solomons Nachlass an sie geht. Die Männer hatten auch nachgefragt, ob das wirklich alles war. Ich hab natürlich niemandem erzählt, dass ich dir eine Flasche geschenkt habe. Die wird schon keiner vermissen bei all dem Gerümpel. Die Leute haben uns eine großzügige Summe gespendet, hatten im Nu alles umgeladen und sind verschwunden.«
Das war doch nicht zu fassen! Irgendwie stank das Ganze zum Himmel. »Was war das für eine Organisation?«
»Sie nannte sich Lavender, und auf dem LKW war Lavendel abgebildet. Hab ich noch nie gehört, aber ihre Dokumente sahen echt aus. Uns ist ja egal, wer das Zeug kauft, und mit dem Geld können wir viel Gutes tun, daher hat sich niemand beschwert.«
»Danke, Mrs. Warren. Da kann man wohl nichts machen«, sagte Julie. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.«
»Den wünsche ich dir auch, Liebes. Komm doch mal wieder zum Tee vorbei, wenn du möchtest.«
»Sehr gerne«, antwortete sie und beendete das Gespräch. »Wirklich mysteriös.«
Sie beschloss, Nick auf jeden Fall zu behalten, allein um aufzuklären, wohin die anderen Flaschen verschwunden waren. Was, wenn sie auf dem Müll landeten? Darin waren Menschen … Lebewesen eingesperrt, so wie Nick! Jemand musste ihnen helfen!
Nick wirkte geknickt. Mit gesenktem Kopf stand er vor dem Schreibtisch und seufzte. Julie wusste auch nicht, was sie tun konnte, um ihn aufzumuntern.
»Wollen wir ein wenig Musik hören?«, fragte sie vorsichtig.
Er schüttelte den Kopf. »Darf ich spazieren gehen? Ich muss nachdenken.«
Julie streichelte ihm einmal über den Rücken. Mehr traute sie sich nicht. Es fühlte sich seltsam an, das bei Nick zu tun, immerhin war er ja kein normaler Junge. Doch er schien Gefühle zu haben wie ein gewöhnlicher Mensch. »Das nimmt dich sehr mit, oder?«
»Hm. Irgendwie glaube ich, meine Taten wiedergutmachen zu müssen, auch wenn Solomon mich dazu gezwungen hat, ihm bei seinen Machenschaften zu helfen«, sagte er zögerlich. »Ich war involviert, so lange Zeit. Ich muss irgendwas tun, nur weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Von dieser Organisation hab ich noch nie was gehört.«
»Ich kann sie googeln!« Natürlich, warum war sie nicht gleich draufgekommen?
Nick runzelte die Stirn. »Googeln?«
Erneut griff sie nach ihrem Smartphone und tippte darauf herum, während Nick ihr über die Schulter blickte.
»Was machst du?«
»Ich suche im Internet nach dieser Organisation. Heutzutage hat doch jeder eine Homepage.«
»Ich hab zwar keine Ahnung, wovon du sprichst, aber falls dein Telefon etwas herausfinden kann, schaffe ich mir auch so eins an.«
Julie schmunzelte. »Ja, ohne ein Smartphone geht nichts mehr. Fast jeder hat eins. Mein Freund Martin ist mit seinem quasi verwachsen.«
»Du hast einen Freund?« Nick klang überrascht und sah sie dabei so eindringlich an, dass sie hastig wegschaute.
Wäre es denn ungewöhnlich, wenn sie einen hätte? Hässlich fand sie sich nicht. »Ist nur ein Kumpel. Wir kennen uns schon aus dem Sandkasten, sozusagen.«
»Ach so.« Er rückte noch näher, sodass Julie die Wärme seines Körpers an ihrem Oberarm fühlte. Ihre Finger zitterten, als sie versuchte, auf dem winzigen Buchstabenfeld den Namen einzutippen. Seine Nähe verwirrte sie. Nur Josh war ihr bisher so nahe gekommen. Nie würde sie seinen heißen Kuss vergessen. Ihren einzigen Kuss. Das war kurz vor ihrem Unfall gewesen. Seitdem schien Josh so zu tun, als wäre nie etwas zwischen ihnen passiert. Mistkerl. Sie würde es ihm schon noch heimzahlen. Immerhin hatte sie jetzt einen Flaschengeist, da war schließlich einiges möglich.
Nach einer kurzen Pause fragte er: »Hast du denn einen Freund, also … bist du mit einem Jungen zusammen?«
Neugierig war er auch noch! »Da gibt’s einen, den ich ganz süß finde, aber er hat kein Interesse mehr.«
»Aha«, machte er nur, während ihr Gesicht brannte. Es war ihr peinlich, über solche Dinge zu reden. Das konnte sie bestenfalls mit Martin, der ohnehin so etwas wie ihre beste Freundin war. Zu Jungs hatte sie immer schon den besseren Draht gehabt. Die waren nicht so zickig.
»Ich finde leider gar nichts über eine Organisation mit Namen Lavender«, stellte Julie nach einer Weile fest, zwar enttäuscht, da sie Nick nicht helfen konnte, aber trotzdem froh, endlich das Thema wechseln zu können.
Er rückte von ihr ab und schaute wieder aus dem Fenster. »Also kann dein Telefon doch keine Wunder verbringen.«
»Leider nicht.«
» Darf ich
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