Nick aus der Flasche
Josh?«
Mit hochgezogenen Brauen schaute er kurz auf Nick, bevor er sagte: »Im Paradies.«
»Paradies, cool!«, rief der Kleine. »Ist das so wie das Schlaraffenland?«
»Das weiß ich nicht, doch du kannst es ja herausfinden.«
»Ein Abenteuer!« Timmy hüpfte auf und ab. »Kommst du mit?«
Erneut wischte sich Josh über das Gesicht. »Noch nicht, aber später. Das verspreche ich dir.«
»Geh zu deiner Oma, sie wird sich jetzt um dich kümmern«, sagte Nick.
Der Kleine winkte ihnen. »Bis dann, Josh! Auf Wiedersehen, Flaschengeist!«
»Mach’s gut, Timmy«, murmelte Josh und starrte so lange auf den Strudel, bis er verschwunden war.
Sofort ließ Nick ihn los. Sie kamen auf die Beine, Josh schwankte leicht.
»Wow«, sagte Josh. »Da-danke, dass ich … dass du mir die Chance ermöglicht hast, mich von meinem Bruder zu verabschieden.«
Casanova schien auf einmal wie verändert. Wo war das arrogante Arschloch hin?
»Machen wir einen Deal«, sagte Nick vorsichtig. »Ich lösche dein Gedächtnis nicht, wenn du niemandem verrätst, was ich bin.«
Beschwichtigend hob er die Hände. »Ich schwöre dir, ich schweige wie ein Grab.«
»Und du wirst dir eine angemessene Entschuldigung für Martin ausdenken.«
Josh nickte eifrig.
»Okay.« Sie besiegelten den Schwur mit einem Handschlag. Dann wollte Nick die Toilette verlassen, doch Josh trat vor die Tür und räusperte sich.
»Hast du mich gestern beobachtet, als ich dort hinten …« Er schielte zu den Kabinen und Nick unterbrach ihn. »Ja, ich habe alles mitbekommen. Wieso machst du so einen Mist?«
»Ich schwöre, ich werde nie wieder Drogen verchecken.« Er senkte den Kopf. »Also hatte sich der Ast wirklich durch deinen Körper gebohrt und ich hab dich klein gesehen?«
»Hm.«
»Krass.« Tief atmete er ein und sagte leise: »Es war scheiße von mir, dass ich weggelaufen bin, als du so schwer verletzt warst, aber ich war so geschockt und hatte sofort an Timmy denken müssen und wie hilflos ich damals war. Ich hab mir immer die Schuld an seinem Tod gegeben.«
»Und deine Eltern?«
»Sie haben es nie gesagt, doch ich habe das Gefühl, dass sie mich dafür verantwortlich machen.« Zu Nicks Überraschung begann Josh freizügig zu erzählen. »Nach Timmys Tod sind wir bald umgezogen, hierher, in ein Haus ohne Pool. Mein Vater stürzte sich in Arbeit, meine Mutter ertränkte ihren Kummer in Alkohol und beachtete mich kaum mehr. Sie sind seit Timmys Tod nicht mehr dieselben. Und egal was ich tat, wie sehr ich mich anstrengte, ich erlangte nie ihre volle Aufmerksamkeit. Also begann ich Scheiße zu bauen, um ihnen zu zeigen, dass ich existiere. Das hatte nur zur Folge, dass sie mir alle Extras gestrichen haben. Als ich dann nicht mal ein Auto bekam, fing ich an zu dealen, damit ich mir das alles leisten konnte. Aber ich schwöre, ich hab den Mist niemals selbst genommen.«
»Ts.« Nick schnaubte. »Du hast das Zeug in die Drinks geschüttet, um Julie herumzubekommen.«
Josh kratzte sich am Kopf und sah ziemlich schuldbewusst aus. »Ich weiß, ich bin ein Idiot.«
»Immerhin besitzt du diese Selbsterkenntnis«, meinte Nick sarkastisch, doch seine Rachegedanken waren verflogen. Jetzt verstand er, warum sich dieser Egomane wie ein Arsch verhielt und so voller Wut steckte.
Josh räusperte sich erneut. »Pass mir auf Julie auf.«
»Wir sind nicht zusammen, falls du das meinst«, erwiderte er schnell, wobei sein Herz hart gegen den Brustkorb schlug. »Sie ist meine Herrin.«
Josh grinste. »Herrin – cool. Das werde ich niemandem erzählen. Versprochen.«
»Und denk an Martin.«
Josh nickte und senkte den Blick. Bevor sie den Raum verließen, sagte er noch einmal: »Danke, dass ich mich von Timmy verabschieden durfte.«
Auf dem Gang stießen sie auf Julie. Josh sagte »Hi« und verschwand im Getümmel, während sie Nick am Arm packte. »Ich hab dich schon überall gesucht!«
»Nicht überall«, erwiderte er lächelnd, froh, sie zu sehen.
»Was ist passiert?«
Nick erzählte ihr alles im Schnelldurchlauf. »Wusstest du von Timmy?«
»Nein, Josh hat ihn nie erwähnt.« Sie überreichte ihm seinen Rucksack, den er im Klassenzimmer zurückgelassen hatte, und gemeinsam marschierten sie zum nächsten Kurs, da die Pause bald zu Ende war.
Als Julie sagte: »Josh tut mir richtig leid«, verspürte er einen gewaltigen Anflug von Eifersucht. Obwohl er wusste, dass er dieses Gefühl ignorieren sollte und Julie niemals die Seine sein würde, nagte ihr Mitleid
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