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Nick Stone - 01 - Ferngesteuert

Nick Stone - 01 - Ferngesteuert

Titel: Nick Stone - 01 - Ferngesteuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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Mund zu halten und echt müde auszusehen, okay? Tust du genau, was ich sage, damit niemand etwas merkt, können wir bald heimfahren.« Wir gingen zum Economy Inn hinüber.
    An der Rezeption saß ein junger Schwarzer, der ein dickes Lehrbuch vor sich liegen hatte. Diesmal wandelte ich meine Story ab, indem ich behauptete, bei einem Raubüberfall verletzt worden zu sein. Er reagierte sichtlich betroffen. »Hören Sie, das ist nicht typisch für unser Land«, versicherte er mir. »Amerika ist
    wundervoll.« Er fing an, mir vom Grand Canyon
    vorzuschwärmen; erst nachdem ich ihm versprochen
    hatte, dieses Naturdenkmal auf jeden Fall zu besichtigen, konnten wir die Rezeption verlassen.
    In unserem Zimmer half ich Kelly aus dem Mantel.
    Als sie sich leicht zur Seite drehte, um den anderen Arm aus dem Ärmel zu ziehen, fragte sie mich ohne
    Vorwarnung: »Fahren wir jetzt zu Mommy und Daddy?«
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    »Noch nicht, wir haben noch einiges zu erledigen.«
    »Ich will zu meiner Mommy, Nick. Ich will wieder
    heim. Du hast’s versprochen!«
    »Keine Angst, wir fahren bald.«
    »Weißt du bestimmt, daß Mommy und Daddy und
    Aida zu Hause sind, wenn ich komme?«
    »Natürlich sind sie das.«
    Kelly wirkte nicht überzeugt. Und ich wußte, daß der entscheidende Punkt erreicht war. Ich konnte nicht endlos weiterlügen. Falls wir aus dieser Sache mit heiler Haut herauskamen, konnte ich Kelly nicht einfach ihren Großeltern oder irgendwelchen anderen Leuten
    übergeben, von denen sie dann erfahren würde, daß ich ein Schweinehund war, der sie die ganze Zeit belogen hatte.
    »Kelly …«
    Ich setzte mich neben sie und streichelte ihren Kopf, den sie in meinen Schoß legte.
    »Hör zu, Kelly, wenn du heimkommst, sind Mommy,
    Daddy und Aida nicht mehr da. Sie kommen nie wieder.
    Sie sind alle im Himmel. Weißt du, was das bedeutet?«
    Das sagte ich fast nonchalant, weil ich dieses Thema möglichst nicht vertiefen wollte. Wahrscheinlich hoffte ich darauf, daß sie »Oh, ich verstehe!« sagen und mich dann fragen würde, ob sie einen Micky D’s haben könne.
    Nun entstand eine Pause, während sie über alles
    nachdachte. Ich hörte nur das Summen der Klimaanlage.
    Sie runzelte die Stirn. »Kommt das davon, daß ich unartig gewesen bin und Daddy nicht geholfen habe?«
    Mir war zumute, als stoße mir jemand ein Messer ins 346
    Herz. Aber das war keine allzu schwierige Frage; sie ließ sich ohne weiteres ehrlich beantworten. »Kelly, selbst wenn du versucht hättest, Daddy zu helfen, wären sie trotzdem alle gestorben.«
    Sie drückte ihren Kopf leise schluchzend an mein
    Bein. Ich rieb ihr den Rücken und versuchte mir etwas Tröstliches einfallen zu lassen.
    Dann hörte ich: »Sie sollen aber nicht tot sein. Ich will mit ihnen Zusammensein.«
    »Aber das bist du doch.« Ich suchte nach Worten.
    Sie hob den Kopf und sah mich an.
    »Du bist mit ihnen zusammen. Jedesmal wenn du
    etwas tust, das ihr miteinander gemacht habt, seid ihr zusammen.«
    Sie bemühte sich, das zu verstehen. Ich auch.
    »Jedesmal wenn ich eine Pizza mit viel Pilzen esse, denke ich an deine Mommy und deinen Daddy, weil ich weiß, daß Mommy gern Pilze gegessen hat. Darum sind sie nie weit von mir entfernt – und deshalb werden Mommy, Daddy und Aida immer in deiner Nähe sein.«
    Kelly sah mich an, als warte sie auf mehr. »Wie meinst du das?«
    Ich suchte nach Beispielen. »Ich meine, jedesmal wenn du den Tisch deckst, ist Mommy dabei, weil sie dir gezeigt hat, wie man das macht. Jedesmal wenn du
    Basketball spielst, ist Daddy dabei, weil er dir das Werfen beigebracht hat. Jedesmal wenn du jemandem zeigst, wie etwas gemacht wird, ist Aida dabei – weil du ihr immer alles gezeigt hast. Siehst du, sie sind ständig bei dir!«
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    Ich wußte nicht, ob das gut war, aber mir fiel nichts Besseres ein. Ihr Gesicht ruhte wieder auf meinem Bein, und ich spürte die Wärme ihres Atems und ihrer Tränen.
    »Aber ich will sie sehen. Wann sehe ich sie wieder, Nick?«
    Ich hatte mich anscheinend nicht verständlich genug ausgedrückt. Ich wußte nicht, wem dieses Gespräch mehr zusetzte – Kelly oder mir. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals. Ich hatte mich in etwas hineinmanövriert, aus dem ich nicht wieder herauskam.
    »Sie kommen nicht mehr zurück, Kelly. Sie sind alle drei tot. Aber das liegt nicht an etwas, das du getan oder nicht getan hast. Sie wollten dich nicht verlassen.
    Manchmal passieren Dinge, die sogar Erwachsene nicht ändern oder vermeiden können.«
    Kelly

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