Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
mit der Reisetasche aus, und ich sperrte den Wagen ab, nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß nirgends etwas Interessantes herumlag. Was ich jetzt unter keinen Umständen brauchen konnte, war ein Parkwächter, der sich für meinen Mehrzweckdietrich interessierte. Wir gingen zur Haltestelle hinüber und brauchten nicht lange auf einen Shuttle-Bus zu warten, der uns zum
Abfluggebäude brachte.
In dem großen Terminal sah es aus wie auf jedem
Flughafen um diese Zeit am frühen Morgen. An den
Schaltern der Fluggesellschaften standen schon viele Geschäftsreisende an. Einige junge Leute, die
offensichtlich viel zu früh zum Flughafen hinausgefahren waren, schliefen in ihren Schlafsäcken, die über drei, vier Sitze hinweg ausgebreitet waren, und hatten riesige Rucksäcke neben sich stehen. Männer in Overalls
schoben mit mechanischen Bewegungen wie Zombies
Reinigungsmaschinen über die gefliesten Böden.
Oben an der Rolltreppe nahm ich das kostenlose
Flughafenmagazin aus einem Ständer. Ein Blick auf die Abflugpläne im hinteren Teil des Magazins zeigte, daß es 483
vor 17 Uhr keinen Direktflug nach England gab. Also stand uns heute ein langer Tag bevor.
Ich betrachtete Kelly kritisch und stellte fest, daß wir uns beide waschen mußten. Wir fuhren mit der
Rolltreppe zum Ankunftsbereich hinunter. Ich warf ein paar Münzen in einen Automaten und kaufte Seife und Papierhandtücher zur Ergänzung unseres Waschzeugs.
Damit verschwanden wir in der nächsten
Behindertentoilette.
Während ich mich rasierte, wusch Kelly sich
oberflächlich das Gesicht. Ich wischte ihre Stiefel mit Klopapier sauber, schüttelte ihren Mantel aus, kämmte sie noch einmal und faßte ihr Haar mit einem
Gummiband zusammen, damit es ordentlich aussah.
Nach einer halben Stunde sahen wir ganz passabel aus.
Auch die Narben in meinem Gesicht begannen schon zu verheilen. Ich versuchte zu grinsen, aber das tat noch immer zu weh. Jedenfalls würden wir so nicht gleich auffallen.
Ich griff nach der Reisetasche. »Fertig?«
»Fliegen wir jetzt nach England?«
»Erst müssen wir noch was erledigen. Komm!« Ich
zupfte an ihrem Pferdeschwanz, mit dem sie wie ein Cheerleader im Miniformat aussah. Sie tat so, als ärgere sie sich darüber, aber ich merkte ihr an, daß sie meine Aufmerksamkeit genoß.
Wir fuhren mit der Rolltreppe wieder hinauf, machten einen Rundgang am äußeren Rand des Terminals entlang und gaben vor, die Flugzeuge auf dem Vorfeld zu
besichtigen. In Wirklichkeit hielt ich nach zwei
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verschiedenen Dingen Ausschau. »Ich muß noch etwas aufgeben«, sagte ich, als ich das FedEx-Büro sah.
Die Nummer der Kreditkarte, von der die
Versandkosten abgebucht werden sollten, schrieb ich von der Kopie des Mietwagenvertrags ab. Scheiße, Big Al sollte ruhig für ein paar Kleinigkeiten aufkommen, nachdem er jetzt reich war.
Kelly beobachtete genau, was ich tat. »Wem schreibst du?«
»Ich schicke etwas nach England – für den Fall, daß wir angehalten werden.« Ich zeigte ihr die beiden Disketten.
»Wem schickst du die?« Kelly wurde ihrem Vater von Tag zu Tag ähnlicher.
»Sei nicht so neugierig!«
Ich steckte die Disketten in einen FedEx-Umschlag, klebte ihn zu und schrieb die Adresse darauf. Früher hatten wir Kurierdienste benutzt, um der Firma in Hotelzimmern entwickelte Photos von Zielpersonen oder sonstiges Geheimmaterial zu schicken. Heutzutage war dieses Verfahren natürlich überholt; mit Digitalkameras kann man Photos machen, sein GSM-Mobiltelefon
anschließen, eine Nummer in England wählen und die Bilder übertragen.
Danach setzten wir unseren Rundgang durchs
Terminal fort. Ich fand die Steckdose, die ich suchte, am Ende einer Reihe schwarzer Plastiksitze, auf denen zwei Studenten schnarchten. Ich deutete auf die beiden letzten Sitze. »Komm, wir setzen uns einen Augenblick hin. Ich möchte mir etwas auf dem Laptop ansehen.«
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Sowie ich den Laptop eingeschaltet hatte, fiel Kelly ein, daß sie Hunger hatte. »Fünf Minuten«, sagte ich geistesabwesend.
Was ich bereits gelesen hatte, bewies mir, daß in Gibraltar mit gezinkten Karten gespielt worden war, aber es hatte noch keine Erklärung dafür geliefert, was Kev damit zu tun hatte. Das wurde mir klar, als ich jetzt weiterlas.
Ende der achtziger Jahre hatte Maggie Thatcher die Regierung Bush offenbar unter Druck gesetzt, etwas dagegen zu unternehmen, daß Noraid in den USA
Spenden für die PIRA sammelte. Bei Millionen irisch-amerikanischer
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