Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
der
Umhängetasche. Da der WC-Spülkasten für mich
unzugänglich an der Wand eingebaut war, gab es hier keine Möglichkeit, die Tasche zu verstecken. Ich stand auf, trat an die Schiebetür und horchte.
Die Frau hatte einen Polizeibeamten gefunden. Ich konnte mir die Szene da draußen gut vorstellen. Um die beiden würden sich mehrere Neugierige versammelt
haben. Der Cop würde sich Notizen machen, den
Diebstahl über Funk der Zentrale melden und
wahrscheinlich alle WC-Kabinen kontrollieren. Mir brach der Schweiß aus.
Ich hatte das Gefühl, schon stundenlang an dieser Tür zu stehen und zu horchen. Kelly kam übertrieben leise 492
auf Zehenspitzen heran. Als ich mich zu ihr
hinunterbeugte, flüsterte sie mir ins Ohr: »Ist’s schon wieder in Ordnung?«
»Beinahe.«
Dann hörte ich ein Krachen und Klopfen. Jemand,
vermutlich der Polizeibeamte, stieß die Türen der freien WC-Kabinen auf und klopfte an die Türen der anderen.
Er suchte wohl weniger den Dieb, sondern wollte
kontrollieren, ob die Tasche irgendwo ohne das Geld weggeworfen worden war. Gleich würde unsere Kabine an der Reihe sein.
Für lange Überlegungen blieb keine Zeit. »Kelly, wenn jemand anklopft, mußt du reden. Am besten …«
Klopf-klopf-klopf.
In der Echokammer der Behindertentoilette klang das Klopfen wie das Zuschlagen einer Zellentür.
»Hallo?« fragte eine Männerstimme. »Polizei! Ist da jemand drin?« Dabei versuchte jemand, die Schiebetür von außen zu öffnen.
Ich schob Kelly rasch zur Kloschüssel zurück und
flüsterte ihr zu: »Antworte, daß du bald rauskommst.«
»Ich komme bald raus!« rief sie.
Von draußen kam keine Antwort, aber das Klopfen
wiederholte sich an der nächsten Kabinentür. Damit war die Gefahr hoffentlich vorüber.
Nun mußte ich nur noch meine Pistole und die
Magazine loswerden. Das war einfach. Ich steckte alles in Mrs. Sandborns Umhängetasche, die ich eng
zusammenknüllte, damit sie in den nächsten
Abfallbehälter paßte.
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Erst nach einer Stunde glaubte ich, wir könnten die Kabine gefahrlos verlassen. Ich wandte mich an Kelly.
»Du heißt jetzt Louise, okay? Louise Sandborn.«
»Okay.«
Sie nahm das gleichmütig hin.
»Louise, wenn wir jetzt gehen, möchte ich, daß du richtig fröhlich aussiehst und an meiner Hand gehst.« Ich griff nach der Reisetasche. »Okay, wir sind unterwegs!«
»Nach England?«
»Natürlich! Aber zuerst müssen wir uns Plätze im
nächsten Flugzeug besorgen. Du bist übrigens großartig gewesen – sehr gut gemacht!«
Einige Minuten nach 11 Uhr 30 waren wir wieder im Abflugbereich. Bis zum ersten möglichen Abflug mit BA-216 um 17 Uhr 10 nach Heathrow mußten wir uns
noch über fünf Stunden hier herumtreiben.
Ich ging ans nächste Telefon, benutzte die
Rufnummern aus dem Flughafenmagazin und rief
nacheinander die in Frage kommenden
Fluggesellschaften an, um nach freien Plätzen zu fragen.
Der erste Flug mit British Airways war schon
ausgebucht. Ebenso United Airways um 18 Uhr 10, BA um 18 Uhr 10 und United um 18 Uhr 40. Zuletzt gelang es mir, bei Virgin Atlantic zwei Plätze für den Flug um 18 Uhr 45 zu ergattern. Ich gab sämtliche Daten von Mr.
Sandborn an, der die Tickets später abholen würde. Auch diesmal bezahlte ich wieder mit Angaben zur Kreditkarte auf dem Durchschlag von Frankie Sabatinos Mietwagen.
Ich schlenderte am Virgin-Schalter vorbei und stellte fest, daß er erst ab 13 Uhr 30 geöffnet war. Also 494
eineinhalb Stunden lang warten und schwitzen.
Terry Sandborn sah älter aus als ich, und sein fast schulterlanges Haar fing schon an, grau zu werden. Mein Haar bedeckte kaum die Ohren und war braun. Zum
Glück war sein Paß schon vier Jahre alt.
Zur Begeisterung Kellys und des Herrenfriseurs im Terminal verlangte ich den Bürstenschnitt Nummer eins und sah nun wie ein amerikanischer Marineinfanterist aus.
Dann gingen wir in den Reiseladen, wo ich ein
Schmerzmittel kaufte, das Menstruationsbeschwerden bei Frauen zu lindern versprach. Ein Blick auf die auf der Packung angegebene Zusammensetzung genügte, um mir zu zeigen, daß ich offenbar das richtige Mittel erwischt hatte.
Die ganze Zeit über hoffte ich, die Polizei habe den Handtaschenraub als Gelddiebstahl eingestuft und den Fall nicht weiterverfolgt, sondern es dem Ehepaar Sandborn überlassen, den Verlust seiner Kreditkarten und Reisepässe zu melden. Ich wollte nicht am Virgin-Schalter aufkreuzen und von einem halben Dutzend Cops in Empfang genommen
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