Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
bevor ich Kelly in die Wanne hob. Sie setzte sich wortlos hin.
»Seife und Shampoo sind reichlich da«, sagte ich.
»Soll ich dir beim Haarewaschen helfen?«
Sie saß stocksteif in der Badewanne. Ich gab ihr die Seife, die sie jedoch nur anstarrte.
Inzwischen war es fast wieder Zeit, London anzurufen.
Zumindest würde ich nicht wieder zur Telefonzelle gehen müssen; in der Badewanne war Kelly außer Hörweite.
Sicherheitshalber ließ ich den Fernseher eingeschaltet.
Im Fernsehen lief eine eigenartige Serie, die ich wunderbar fand – mit vier Kerlen in Jeans, halb
Menschen, halb Haie, die Ausdrücke wie »Fin-tastic!«
und »Shark-time!« benutzten und anderen Leuten
offenbar nicht in den Hintern, sondern in ihre
Rückenflossen traten. The Street Sharks. Während der Nachspann lief, rief ich London an.
Ich hörte sofort: »Ihre PIN bitte.«
Ich gab sie an. »Augenblick«, sagte die Frauenstimme.
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Sekunden später wurde die Verbindung unterbrochen.
Das war seltsam. Ich gab nochmals meine PIN an und wurde erneut abgeschnitten.
Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Ich versuchte mir einzureden, das sei lediglich eine technische Panne gewesen. In meinem Innersten wußte ich jedoch, was wirklich geschehen war. Das mußte Absicht gewesen sein. Oder vielleicht war die Verbindung nach Übersee gestört. Es war sinnlos, lange darüber nachzudenken. Ich mußte etwas unternehmen.
Ich ging ins Bad zurück. »Das Telefon funktioniert nicht«, erklärte ich Kelly. »Ich gehe nur kurz zur Telefonzelle hinunter. Brauchen wir noch irgend etwas aus den Läden? Oder paß auf – wir gehen später
gemeinsam einkaufen.«
Ihr Blick blieb starr auf die geflieste Wand am
Fußende der Wanne gerichtet.
Ich hob sie heraus und wickelte sie in ein flauschiges Badetuch. »Du bist schon ein großes Mädchen. Du
kannst dich bestimmt selbst abtrocknen.« Ich nahm die neue Haarbürste aus dem Waschbeutel. »Wenn du fertig bist, bürstest du dir die Haare und siehst zu, daß du trocken und angezogen bist, bis ich zurückkomme.
Vielleicht müssen wir später weg. Aber du machst
niemandem die Tür auf, okay?«
Kelly gab keine Antwort. Ich zog den Telefonstecker raus und ging.
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Während ich über den Parkplatz ging, hatte ich ein verdammt flaues Gefühl im Magen. Ich hatte nichts verbrochen – weshalb wurde ich also abgeschnitten?
Wollte die Firma mich aufs Kreuz legen? Ich überlegte mir, was für verschiedene Möglichkeiten es in diesem Fall gab. Hielten sie etwa mich für den Mörder? Kappten sie jetzt alle Verbindungen zu mir, um anschließend alles leugnen zu können?
Ich betrat die Telefonzelle, wählte und wurde wie zuvor getrennt. Ich hängte langsam den Hörer ein. Dann setzte ich mich auf die zur Hoteleinfahrt gehörende niedrige Mauer, denn ich mußte jetzt angestrengt
nachdenken. Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, daß mir nur noch eine Möglichkeit blieb: Ich mußte die Botschaft anrufen. Damit verstieß ich gegen sämtliche Vorschriften, so daß ich mir nicht einmal die Mühe zu machen brauchte, mich an die üblichen Verfahrensregeln zu halten. Ich wählte die 411, ließ mir von der Auskunft die Nummer geben und tippte sie ein.
»Britische Botschaft, guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte den VOSO sprechen.«
»Wie bitte?«
»VOSO -Verbindungsoffizier für Special Operations.«
»Tut mir leid, hier gibt es keine Nebenstelle mit dieser Bezeichnung.«
»Sagen Sie Ihrem Militärattaché, daß jemand anruft, der den VOSO sprechen möchte. Die Sache ist wirklich 100
wichtig. Ich muß ihn sofort sprechen.«
»Augenblick, bitte.« Ein Klicken, dann war ein
Streichquartett zu hören. Ich hörte zu und wartete, während meine Telefonkarte sich aufbrauchte.
Dann meldete sich eine andere Frauenstimme. »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte den VOSO sprechen.«
»Tut mir leid, aber diese Funktion gibt es bei uns nicht.«
»Dann verbinden Sie mich mit dem MA.«
»Der Militärattache ist leider nicht im Haus. Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein? Möchten Sie mir Ihren Namen und eine Telefonnummer geben, unter der Sie erreichbar sind?«
»Hören Sie, ich habe folgende Mitteilung für Sie«, sagte ich. »Der VOSO oder der MA sollen sie
weitergeben. Ich habe mehrmals versucht, mit meiner PIN anzurufen. Meine PIN lautet zwo-vier-zwo-zwo, und am anderen Ende wird jedesmal aufgelegt. Ich sitze wirklich in der Klemme und brauche dringend Hilfe.
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