Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
VOSO oder dem MA, daß ich
auspacken werde, was ich in meinem Sicherheitspaket habe, wenn sie nicht sofort mit London Verbindung aufnehmen. Ich rufe London in drei Stunden noch mal an.«
»Entschuldigung, könnten Sie das bitte wiederholen?«
fragte die Frau.
»Nein – Sie haben diesen Anruf aufgezeichnet, und ich weiß, daß meine Mitteilung verstanden werden wird. Sie brauchen Sie nur an den VOSO oder den MA
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weiterzuleiten. Wer von den beiden sie bekommt, ist mir scheißegal. Sagen Sie ihnen, daß ich London in drei Stunden anrufen und meine PIN nennen werde.«
Ich hängte den Hörer ein. Meine Nachricht würde den Empfänger erreichen. Wahrscheinlich hatten der VOSO
oder der MA ohnehin mitgehört.
Manche Unternehmungen, an denen ich beteiligt
gewesen war, waren so schmutzig, daß niemand wollen würde, daß sie aufgedeckt wurden. Andererseits
bedeutete das natürlich auch, daß jemand wie ich
entbehrlich war, falls etwas einmal nicht so gut klappte.
Mein Prinzip war immer gewesen: Wer als
Geheimdienstmann an zweifelhaften Unternehmen
beteiligt war und nicht für den Tag vorsorgte, an dem sie beschlossen, einen abzuschießen, hatte nichts anderes verdient. Die Zentrale wußte, daß jeder K ein
Sicherheitspaket hatte, aber alle leugneten diese Tatsache
– die Betreffenden ebenso wie der SIS. Meiner
Überzeugung nach wendete der SIS für seine Suche nach unseren Unterlagen, mit denen er erpreßt werden konnte, ebensoviel Mühe auf wie für seine sonstigen
Unternehmen.
Mit meinem Anruf hatte ich eine unwiderrufliche
Entscheidung getroffen. Diese Karte konnte ich nur einmal ausspielen. Mein zukünftiges Leben würde nie wieder unbeschwert sein. Ich war meinen Job bei der Firma los und würde den Rest meines Lebens vermutlich in einem abgelegenen Bergdorf in Sri Lanka verbringen –
ständig in Angst vor bezahlten Killern.
Was war, wenn die Firma beschloß, den Amerikanern 102
gegenüber einzugestehen, daß es ein Unternehmen
gegeben hatte, das sie zu erwähnen vergessen hatte?
Würde sie sich erst auf die Finger klopfen lassen und danach behaupten, dieser Mann habe Kev Brown
umgebracht? Nein, so funktionierte die Sache nicht. Die Firma konnte nicht wissen, ob mein Sicherheitspaket ein Bluff war oder nicht und wieviel Schaden es anrichten konnte, falls es den Medien zugespielt wurde. Sie würde es als reale Gefahr einschätzen und mir helfen müssen.
Ihr blieb gar keine andere Wahl. Die Firma würde uns hier rausholen; ich würde nach England zurückgeflogen werden und mich dort unauffällig verhalten, bis Gras über die Sache gewachsen war.
Als ich zurückkam, hatte Kelly sich nicht angezogen, sondern lag in das Badetuch gewickelt auf dem Bett. Der Zeichentrickfilm im Fernsehen war durch eine
Nachrichtensendung mit einer nüchtern sprechenden Reporterin abgelöst worden, auf die ich jedoch im Augenblick nicht achtete. Mich interessierte mehr, was ich tun mußte, um dieses kleine Mädchen zu normalen Reaktionen zu veranlassen. Die Zahl meiner Freunde schien beängstigend rasch abzunehmen, und obwohl sie erst sieben war, wollte ich das Gefühl haben, wenigstens Kelly stehe auf meiner Seite.
»Wir müssen noch ein bis zwei Stunden hier
herumsitzen«, erklärte ich ihr, »bis jemand uns …«
Erst dann bekam ich mit, was ich gerade hörte. Die nüchterne Frauenstimme sagte: »… brutale Morde und möglicherweise eine Entführung …« Ich konzentrierte mich schnellstens auf den Fernseher.
103
Die schwarze Reporterin, Mitte Dreißig, blickte vor Kevs Haus, in dessen Einfahrt ich Marshas Daihatsu stehen sah, in die Kamera. Um die zwei Krankenwagen herum, die mit eingeschalteten Blinklichtern vor dem Haus parkten, wimmelte es von Polizeibeamten.
Ich griff hastig nach der Fernbedienung und drückte auf den Ausschaltknopf. »Kelly, du böses kleines
Mädchen«, sagte ich grinsend, »du hast dir den Hals nicht gewaschen. Du gehst sofort ins Bad und wäschst ihn dir!«
Ich stieß sie fast mit Gewalt ins Bad. »So, du bleibst drin, bis ich dir sage, daß du rauskommen kannst!«
Ich schaltete den Fernseher wieder ein und ließ den Ton ganz leise.
Die Reporterin sagte: »… und die Nachbarn haben
einen Weißen, Ende Dreißig, beobachtet, der als etwa einsachtzig groß mit mittlerer Statur und kurzem, braunem Haar beschrieben wird. Er soll heute gegen vierzehn Uhr fünfundvierzig mit einem in Virginia zugelassenen weißen Dodge vorgefahren sein. Mein
Interviewpartner ist jetzt
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