Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
daß alle Mühe vergebens war, wenn die Aufnahmen letztlich doch keine Identifizierung ermöglichten.
Er zeigte mir ein 250-mm-Objektiv.
»Wieviel?«
»Hundertfünfzig Dollar.« Er wartete darauf, daß ich sagen würde, das sei zu teuer.
»Okay, einverstanden – wenn Sie zwei 24-Stunden-
Bänder und ein Verlängerungskabel drauflegen.«
Er wirkte fast enttäuscht, weil ich nicht versucht hatte, ihn herunterzuhandeln. »Wie lang?«
»Das längste, das Sie haben.«
»Fünf Meter?«
Ich sollte feilschen. Er sehnte sich geradezu danach.
»Abgemacht.« Jetzt war er zufrieden. Er hätte
bestimmt auch ein Zehnmeterkabel gehabt.
227
Auf meinem Rückweg zur Metrostation kam ich an
einem Walmart vorbei. Ich machte rasch einen Rundgang durch den Laden, um die Dinge zusammenzusuchen, die ich noch brauchte, um die Kamera betriebsfähig aufbauen zu können.
Während ich durch die Gänge schlenderte, machte ich etwas, das ich in aller Welt in solchen Geschäften tat: Ich sah mir Lebensmittel und Haushaltsreiniger an und stellte mir dabei vor, welche Bestandteile man zusammenmixen und aufkochen mußte, um einen Brand- oder Sprengsatz herzustellen. In zwanzig Minuten konnte man in jeder Filiale von Sainsbury’s alle Zutaten für einen Sprengsatz kaufen, der ausreichte, um ein Auto in die Luft zu jagen.
Heute brauchte ich jedoch nichts dergleichen. Ich kaufte nur eine große PET-Flasche Coca-Cola, eine Schere, eine Rolle Müllbeutel, eine kleine Maglite mit verschiedenen Filterscheiben, eine Rolle Klebeband und einen Satz Schraubenzieher und Zangen: einundzwanzig miese Teile, die mit fünf Dollar völlig überbezahlt waren; sie würden ungefähr fünf Minuten halten, aber länger brauchte ich sie auch nicht. Danach suchte ich für Kelly ein Buch mit Abenteuergeschichten, ein paar Malbücher, Buntstifte und andere Kleinigkeiten zu ihrer Unterhaltung zusammen. Und ich steckte noch ein paar Dollar in Mr.
Oreos Taschen.
Ich fuhr zum Metrobahnsteig hinunter und fand einen Sitzplatz. Signalleuchten am Bahnsteigrand blinken, wenn ein Zug kommt; bis dahin lesen die meisten
Einheimischen oder unterhalten sich. Da ich sonst nichts zu tun hatte, machte ich die Colaflasche auf, knabberte 228
einen Keks, fing an, ein Punkt-zu-Punkt-Bild in einem der Malbücher nachzuziehen, und wartete auf die Lichter.
In Pentagon City regnete es nicht mehr, aber der Himmel war bleigrau, und die Straßen waren noch naß. Ich beschloß, rasch am Zielobjekt vorbeizugehen, um die Tatsache zu nutzen, daß ich ohne Kelly unterwegs war.
Ich überquerte den Parkplatz des Supermarktes, ging unter der Stadtautobahn hindurch und erreichte die Ball Street. Wenig später schlenderte ich an der Nummer 126
vorbei – diesmal auf der gleichen Straßenseite. Zwischen dichten Koniferen führten einige Betonstufen zu einer Glastür hinauf. Hinter ihr lag der Empfangsbereich mit einem weiteren Durchgang, der vermutlich in den
eigentlichen Bürokomplex führte. Eine
Überwachungskamera war auf den Eingang gerichtet.
Die Fenster mit getönten Isolierscheiben ließen sich nicht öffnen. In den Räumen im Erdgeschoß und im ersten Stock schien es wie in allen heutigen Büros reichlich PCs und Pinnwände zu geben.
Ich konnte keine außen angebrachten Alarmanlagen
oder ein Schild entdecken, das besagte, dieses Gebäude werde von einem Sicherheitsdienst überwacht. Vielleicht war die Alarmanlage auf der Rückseite des Gebäudes installiert. Sonstige vorhandene Einbruchsmelder waren vermutlich telefonisch mit der Polizei oder einem Bewachungsunternehmen verbunden.
Ich erreichte das Ende der Ball Street, bog rechts ab und ging ins Hotel zurück.
Unser Zimmer glich einer Sauna. Kellys Haare standen 229
wirr vom Kopf ab, und sie hatte Schlaf in den Augen. Ihr Gesicht war zerknittert und mit Krümeln behaftet, als sei sie eingeschlafen, bevor sie den letzten Keks aufessen konnte.
Als ich meine Einkäufe aufs zweite Bett warf, fragte sie mißmutig: »Wo bist du gewesen?«
»Ich habe Unmengen Zeug mitgebracht.« Ich fing an, in die Tragetaschen zu greifen und die Sachen
herauszuziehen. »Ich habe dir ein Buch mit
Abenteuergeschichten gekauft, ein paar Malbücher, Buntstifte …«
Ich breitete die Sachen auf dem Bett aus, trat zurück und erwartete ein anerkennendes Wort. Statt dessen musterte sie mich, als sei ich übergeschnappt.
»Die hab’ ich schon ausgemalt.«
Das hatte ich nicht gewußt. Ich hatte angenommen, ein Malbuch sei ein Malbuch. Mir hatte
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