Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
ein Gespräch unter Freunden konnte nie schaden. Wir brauchten nicht unzertrennlich zu werden – im Gegenteil, je eher mit diesem gemeinsamen Abenteuer Schluß war, desto
besser. Aber damit unsere Beziehung normal wirkte, mußte sie normal sein, und ich wollte nicht geschnappt werden, bloß weil irgendein Klugscheißer den Verdacht hatte, wir gehörten nicht zusammen.
»Welche Figur gefällt dir am besten?«
»Katherine – die in Rosa.«
»Warum, wegen der Farbe?«
»Weil sie nie langweilig, sondern echt cool ist.« Dann erzählte sie mir alles über Katherine, die noch dazu Engländerin war. »Das gefällt mir, weil Daddy aus England stammt.«
Ich sorgte dafür, daß sie Jeans und ein Sweatshirt anzog. Das dauerte ewig lange, fand ich. Zum Teufel mit jeglicher Kinderbetreuung, die war nichts für mich. Tag und Nacht keine freie Minute mehr. Wozu Kinder haben, wenn man sie ständig bedienen muß?
Endlich war sie trocken und warm angezogen. Neben dem Fernseher stand eine Kaffeemaschine mit Kaffee, Milch und Zucker, die ich jetzt in Gang brachte. Als sie 218
zu summen und zu blubbern begann, trat ich ans Fenster.
Ein Blick durch die Netzvorhänge zeigte mir auf beiden Seiten je einen grauen, quadratischen Hotelflügel; unter mir lag der Parkplatz, und vor mir hatte ich die
Stadtautobahn auf Stelzen. Ich merkte, daß meine
Stimmung dieser tristen Aussicht entsprach.
Es regnete noch immer. Ich sah die Wasserfahnen, die Lastwagen hinter sich herzogen. Der Regen war nicht stark, aber so dauerhaft, daß er überall eindrang. Ich merkte plötzlich, daß Kelly neben mir stand.
»Ich hasse solches Wetter«, sagte ich. »Schon immer, seit ich als junger Bursche zur Army gegangen bin. Noch jetzt mache ich mir an naßkalten, stürmischen
Wintertagen einen Becher Tee, setze mich damit ans Fenster, sehe hinaus und denke an all die armen Soldaten, die irgendwo naß und frierend im Schützengraben
hocken, vor Kälte schlottern und sich fragen, was sie eigentlich dort machen.«
Ich grinste schief, als die Kaffeemaschine zu blubbern aufhörte, und sah nachdenklich auf Kelly herab. Was hätte ich nicht dafür gegeben, wieder auf Salisbury Plain in einem klatschnassen Schützengraben zu hocken und nur überlegen zu müssen, was sich gegen Nässe, Kälte und Hunger tun ließ!
Ich streckte mich auf dem Bett aus, um in Ruhe über meine Möglichkeiten nachzudenken. Es waren nicht
besonders viele. Warum wagte ich nicht einfach einen Fluchtversuch? Ich konnte Pässe stehlen und mein Glück auf dem Flughafen versuchen, aber die Aussichten, damit durchzukommen, waren sehr gering. Es gab jedoch auch 219
unkonventionellere Routen zurück nach England. Von Kanada aus konnte man teils mit Fähren, teils auf dem Landweg zurückgelangen – eine bei Studenten beliebte Route. Oder ich konnte mich nach Süden, nach Belize oder Guatemala, durchschlagen. Ich hatte dort jahrelang im Dschungel gelebt und kannte die Insel San Pedro vor Belize, die Drogenschmugglern als Absprungbasis
diente. Von dort aus konnte ich den nächsten
mittelamerikanischen Hafen erreichen, in dem sich ein Schiff nach England finden ließ.
Noch bizarrer war eine weitere Möglichkeit: Einer meiner Regimentskameraden war mit einer einmotorigen Cessna von Kanada nach England geflogen. Außer einem Zusatztank hatte das winzige Flugzeug keinerlei
Sonderausstattung an Bord gehabt. Das Funkgerät war eigentlich nicht geeignet gewesen, und er hatte die richtigen Antennenlängen ausprobieren müssen, indem er einen mit einem Ziegelstein beschwerten Draht aus der Maschine gehängt hatte. Er hatte einen Fallschirm getragen, um notfalls die Tür öffnen und abspringen zu können. Wie ich das schaffen sollte, war mir nicht klar, aber ich wußte zumindest, daß es zu schaffen war.
Aber diese Möglichkeiten waren alle viel zu riskant.
Ich hatte keine Lust, den Rest meines Lebens in einem Staatsgefängnis zu verbringen, und wollte natürlich auch nicht, daß Kelly und ich bei einem Fluchtversuch
umkamen. Simmonds hatte mir die beste Möglichkeit aufgezeigt. Kreuzte ich bei der Firma mit den
gewünschten Informationen auf, würde ich zwar nicht mit offenen Armen, aber wenigstens in Gnaden
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aufgenommen werden. Ich mußte also bleiben und sie mir beschaffen.
Vorläufig ließ das Problem sich darauf reduzieren, daß ich feststellen mußte, wer in dem Gebäude in der Ball Street ein und aus ging.
»Kelly? Du weißt, was ich sagen will, nicht wahr?«
»Todsicher«,
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