Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
lagen weitere Büros und ein Photokopierraum. Die Klimaanlage
arbeitete offenbar auch nachts.
Die Treppe lag hinter einer nicht abgesperrten
Schwingtür. Ich zog einen der Flügel langsam auf, damit er nicht knarrte, und ließ Kelly vorausgehen. Das Treppenhaus war unbeleuchtet. Ich schaltete die Maglite an und richtete den Lichtstrahl auf die Stufen. Wir stiegen langsam die Treppe hinauf.
Obwohl wir uns möglichst leise bewegten, war das
Treppenhaus eine Echokammer, und für Kelly mußte das rote Licht alles noch unheimlicher erscheinen lassen.
»Nick, das gefällt mir nicht!« sagte sie leise.
»Psst! Keine Angst, alles in Ordnung, Daddy und ich haben das schon oft gemacht.« Ich ergriff ihre Hand, und wir stiegen weiter die Treppe hinauf.
Oben standen wir vor der nächsten Tür. Sie würde
nach außen aufgehen, weil dies ein Notausgang war. Ich stellte meine Tasche ab, beugte mich zu Kelly hinunter, machte nochmals »Psst!« und bemühte mich, alles
aufregend klingen zu lassen.
Dann zog ich die Tür langsam einen Spalt weit auf und sah in den Korridor hinaus. Alles wie unten: Das Licht brannte, und die Büroräume schienen menschenleer zu sein. Ich horchte, dann öffnete ich die Tür etwas weiter, um Kelly hindurchzulassen, und zeigte ihr, wo sie 305
stehenbleiben sollte. Sie war sichtbar erleichtert, weil es hier wieder hell war.
Ich stellte die Tasche neben ihr ab. »Du wartest einen Augenblick hier, okay?« Ich ging nach rechts an den Toiletten und einem Raum mit Kaffee- und
Getränkeautomaten vorbei. Danach kam ein
Photokopierraum. Ich erreichte die zur Feuertreppe hinausführende Brandschutztür und überzeugte mich davon, daß sie sich geräuschlos öffnen ließ. Daß es auf der Treppe keine Hindernisse gab, wußte ich bereits –
schließlich hatte ich mich lange genug unter ihr
herumgetrieben. So hatten wir für den Notfall einen Fluchtweg.
Ich hängte mir die Tasche wieder über die linke
Schulter, und wir gingen den Korridor entlang zur Vorderseite des Gebäudes. Wir erreichten eine
zweiflüglige Glastür, die wie unten in ein Großraumbüro führte. Entlang der Seitenwände waren kleine Glaskästen als Büros eingerichtet. Die Chefs legten offenbar Wert darauf, ihre Mitarbeiter gut im Auge behalten zu können.
Die Fenster zur Straße waren ungefähr fünfzehn Meter entfernt. Das Licht aus dem Korridor und der reflektierte Lichtschein der Straßenbeleuchtung tauchten das
Großraumbüro in ungewisses Dämmerlicht. Rechts sah ich eine weitere Glastür, die in einen zweiten Korridor führte.
Ich wußte, was ich suchte, aber ich wußte nicht, wo es zu finden war; ich wußte nur, daß ich es bestimmt nicht in diesem Teil des Gebäudes finden würde.
Ich sah zu Kelly hinunter und lächelte ihr zu. Sie war 306
so glücklich und zufrieden, wie ihr Daddy es in dieser Situation gewesen wäre. Wir hielten reichlich Abstand von den Fenstern, als wir nun den Raum durchquerten, um zu der zweiten Glastür mit dunkel getönten Scheiben zu gelangen.
Wir gingen durch diese Glastür. Der Korridor dahinter war ungefähr drei Meter breit und auffällig kahl: weißgestrichene Wände, nirgends ein Poster oder eine Topfpflanze, nur ein großer Feuerlöscher gleich neben der Tür. Die Deckenbeleuchtung war so schmerzhaft hell, daß ich kurz die Augen schloß. Hier gab es keine
weiteren Türen, aber nach etwa zehn Metern verzweigte der Gang sich T-förmig. Dort gab es wieder Büros. Ich stellte die Tasche ab und bedeutete Kelly, sie sollte bei ihr bleiben. »Und denk daran – nichts anfassen!«
In alle Bürotüren des Quergangs war ein großer
Metallknopf mit Zylinderschloß eingelassen. Ich
versuchte, eine nach der anderen zu öffnen, indem ich den Knopf ergriff und geräuschlos zu drehen versuchte.
Alle sieben Büros auf diesem Korridor waren abgesperrt.
Das war an sich nichts Außergewöhnliches; es bedeutete nur, daß ich jede einzelne Tür mit meinem Dietrich würde öffnen müssen.
Ich ging zu meiner Tasche zurück. Kelly, die sie
bewachte, sehnte sich sichtlich nach einem neuen
Auftrag. »Paß auf, du mußt mir jetzt wirklich helfen«, sagte ich. »Ich möchte, daß du dich hinstellst, wo ich’s dir sage, und mir sofort sagst, wenn jemand kommt, okay? Ich muß wieder tun, was ich draußen getan habe, und dabei brauche ich deine Hilfe. Okay?«
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Sie nickte bei jedem Satz eifrig. »Das ist wirklich wichtig«, fuhr ich fort, »das ist für heute nacht dein wichtigster Auftrag. Und wir
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