Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
müssen schrecklich leise sein, okay?«
Wieder ein Nicken. Ich stellte sie in Position.
»Außerdem mußt du auf die Tasche aufpassen, weil darin lauter wichtige Sachen liegen. Wenn du irgendwas siehst, klopfst du mir wie vorhin auf die Schulter.«
Kelly nickte erneut, und ich holte den
Mehrzweckdietrich aus der Tasche.
Ich stand vor der ersten Bürotür und betätigte den Abzug. Als ich das Schloß mit dem
Drehmomentschlüssel geöffnet hatte, streckte ich meinen Kopf durch die Tür und überzeugte mich davon, daß der Raum fensterlos war, bevor ich Licht machte. Hinter der Tür lag ein geräumiges Büro, etwa fünfmal sechs Meter groß, mit mehreren Telefonen, einem gerahmten
Familienphoto auf dem Schreibtisch, einigen
Aktenschränken, eher spartanisch möbliert. Nichts ließ darauf schließen, daß ich hier finden würde, was ich suchte. Für den Inhalt der Aktenschränke interessierte ich mich noch nicht; der erste Blick soll nur einen
Gesamteindruck vermitteln; man will sich nicht endlos lange in einem Raum aufhalten, nur um später feststellen zu müssen, daß alles, was man sucht, im Büro nebenan auf dem Schreibtisch liegt.
Für den Fall, daß ich diesen Raum später nochmals betreten mußte, sperrte ich die Tür nicht wieder ab. Ich ließ die Tür offen und sah beim Hinausgehen zu Kelly hinüber, die wachsam auf ihrem Posten stand. Kelly 308
grinste, als sie meinen hochgereckten Daumen sah. Sie war sich ihrer verantwortungsvollen Aufgabe bewußt.
Ich sperrte Büro Nummer zwei auf. Auch dort nur der übliche Scheiß: ein Jahresplaner mit verschiedenfarbigen Markierungen, ein Nichtraucherplakat und ein Tablett mit verschiedenen Kaffeebechern. Büros spiegeln die Persönlichkeit ihrer Besitzer wider; deshalb mußte ich darauf achten, hier nichts zu verändern. Das wäre sofort aufgefallen.
Ich ging den Korridor entlang zur Nummer drei.
Wieder das gleiche. Vier: auch nicht anders. Ich hatte langsam den Verdacht, Pats Tip könnte sich als Pleite erweisen.
Jetzt zu den restlichen drei Büros. Als ich auf die andere Seite der T-förmigen Einmündung ging, bemühte sich Kelly, noch wachsamer auszusehen. Ich reckte nochmals meinen Daumen hoch und nahm mir Nummer
fünf vor.
Dieses Büro war merklich größer als die anderen. Hier gab es eine Sitzgruppe mit zwei Sofas und einem
Couchtisch, auf dem einige Zeitschriften lagen, einen Spiegelschrank mit Barfach, elegante Büromöbel und alle möglichen gerahmten Urkunden an den Wänden. Aber
nichts, das wie die Dinge aussah, die ich suchte.
Hinter dem großen Schreibtisch mit dem Ledersessel befand sich jedoch eine weitere Tür. Ich sperrte sie mit meinem Dietrich auf und betrat einen weiteren Raum mit Aktenschränken, einem phantastisch teuer aussehenden Schreibtisch mit lederbespannter Platte und einem Drehsessel. Auf dem Schreibtisch stand ein PC ohne 309
sichtbare Verbindung zum Computernetz der übrigen Büros. Hier gab es nicht einmal ein Telefon. Alles wies darauf hin, daß dies die Zentrale sein könnte. Ein rascher Blick in die beiden letzten Büros bestätigte, daß es richtig war, sich auf diesen Raum zu konzentrieren.
Ich ging zu meiner Tasche zurück, um die
Polaroidkamera zu holen. Kelly paßte noch immer auf wie ein Luchs. Ich lächelte ihr zu. »Ich glaube, ich hab’s, Kelly!«
Sie erwiderte mein Lächeln, obwohl sie keine Ahnung hatte, wovon ich redete.
Als erstes machte ich Photos des luxuriösen großen Büros – wie es auf der Schreibtischplatte aussah, ein paar Gesamtaufnahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln, die Sitzgruppe mit dem Couchtisch und den ausliegenden Zeitschriften, Insgesamt machte ich acht Aufnahmen.
Nun wußte ich genau, wie es hier ausgesehen hatte, und konnte den Raum später so zurücklassen, wie ich ihn vorgefunden hatte.
Ich legte die Polaroidbilder neben der Tür in einer Reihe auf den Fußboden. Die Filmabfälle steckte ich sorgfältig ein.
Während ich darauf wartete, daß die Motive deutlicher hervortraten, öffnete ich die Bürotür und warf einen Blick in den Flur, um nach Kelly zu sehen.
Ich ging hinaus, holte meine Tasche und nahm Kelly mit in das große Büro. »Ich möchte, daß du mir sagst, wenn die Bilder fertig sind«, sagte ich. »Du darfst hier nichts anfassen, aber ich muß wissen, wann die Bilder fertig sind. Das ist immer Daddys Aufgabe gewesen.«
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»Wirklich?«
Ich schloß die Tür hinter uns und blockierte sie mit zwei Türstoppern. Dann ging ich nach nebenan, um
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