Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
wäre. Ich reise nie mit Gepäck, das aufgegeben werden muß, denn sonst ist man den Unbekannten ausgeliefert, die beschließen, für Tokio bestimmte Koffer nach Buenos Aires zu schicken. Selbst wenn das Gepäck sicher ankommt, ist man erledigt, wenn es erst fünf Minuten nach dem Koffer der Zielperson auf dem Gepäckband liegt.
Während ich kaufte, was ich an Toilettenartikeln brauchte, hielt ich nach Euan Ausschau. Ich wußte, daß er an Kerr und McGear kleben würde, falls die beiden nicht bereits abgeflogen waren.
Im Abfluggebäude wimmelte es von irischen Familien, die zu Ostern in die Sonne entfliehen wollten, und kürzlich pensionierten Amerikanern, die herübergekommen waren, um ihre Wurzeln zu finden, und nun mit ihren brandneuen Guinness-Sweatshirts, Stockschirmen, Baseballmützen, Kobolden in Blechdosen und kleinen Blumentöpfen mit irischem Klee zum Selbstanbau herumliefen.
Jedenfalls herrschte reger Betrieb, und die Bars machten gute Geschäfte. Am anderen Ende des Terminals sah ich Euan in einem Café sitzen. Er las eine Zeitung und hatte vor sich auf dem Tisch einen großen Kaffee mit aufgeschäumter Milch stehen. »Euan«, was für ein eigenartiger Name. Ich mußte dabei an einen Kerl denken, der einen Rock trug und sein Breitschwert schwingend über die schottischen Hügel lief. Tatsächlich war er in Bedford geboren, und seine Eltern stammten aus Eastbourne. Sie mußten einen historischen Film gesehen und dabei Gefallen an diesem Namen gefunden haben.
Links neben dem Café lag eine Bar. Aus Euans Blickrichtung schloß ich, daß die Akteure sich dort aufhielten. Ich machte mir nicht die Mühe, die Bar nach ihnen abzusuchen; ich wußte, daß Euan sie mir zeigen würde. Das hatte keine Eile.
Als ich aus der Drogerie kam, sah ich zum Café hinüber und nahm Blickkontakt mit Euan auf. Ich ging mit breitem Grinsen auf ihn zu, als hätte ich soeben einen lange vermißten Kumpel entdeckt, sagte aber vorerst noch nichts. Falls er beobachtet wurde, hätte es nicht normal gewirkt, wenn ich einfach an seinen Tisch getreten wäre, mich zu ihm gesetzt und eine Unterhaltung begonnen hätte. Das Ganze mußte wie eine zufällige Begegnung aussehen, die aber nicht so lärmend sein durfte, daß sie anderen Leuten auffiel. Sie würden nicht denken: Ach, sieh mal an, da treffen sich zwei Spione - aber irgend etwas würde ihnen doch im Gedächtnis bleiben. Das brauchte im Augenblick nichts zu bedeuten, konnte einen aber später teuer zu stehen kommen.
Euan stand halb auf und erwiderte mein Lächeln. »Hey, alter Scheißer, was machst du denn hier?« Er lud mich mit einer Handbewegung ein, mich zu ihm zu setzen.
Wir nahmen Platz, und da Euan den Treff organisierte, erzählte er als erstes die Legende. »Ich bin aus Belfast rübergekommen, um dich zu sehen, bevor du wieder nach
London zurückfliegst. Wir sind schließlich alte Schulfreunde.« Es ist immer nützlich die gleiche Story parat zu haben.
»Wo sind sie?« fragte ich wie nach Angehörigen.
»Halblinks von mir hast du die Bar. Beide vor dem Fernseher. Beide sitzen - der eine trägt eine Jeansjacke, der andere einen schwarzen dreiviertellangen Wildledermantel. Kerr sitzt rechts. Er heißt jetzt Michael Lindsay. McGear ist Morgan Ashdown.«
»Haben sie schon eingecheckt?«
»Ja. Nur Handgepäck.«
»Für zwei Wochen in Washington?«
»Kleidersäcke.«
»Und sie sind zu keinem weiteren Check-in-Schalter gegangen?«
»Nein. Sie scheinen nach Heathrow zu fliegen.«
Ich ging zur Theke hinüber und holte zwei Tassen Kaffee.
Ich sah, daß sie die einzigen Iren in der Bar waren, weil alle anderen Guinness-Polohemden trugen und PintGläser mit dem schwarzen Zeug vor sich stehen hatten. Die beiden tranken Budweiser aus der Flasche und sahen sich die Fußballübertragung im Fernsehen an. Beide hatten Zigaretten angezündet und qualmten wie wild; hätte ich sie in einer Bar in Londonderry beobachtet, hätte ich das für ein Zeichen der Nervosität gehalten, aber bei Aer Lingus gibt es nur Nichtraucherflüge, und diese beiden Jungs taten offenbar etwas für ihren Nikotinspiegel, bevor sie an Bord gingen.
Beide sahen wie hundertprozentige Touristen aus: gut rasiert, frisch gewaschenes Haar, nicht elegant wie Geschäftsleute, nicht abgerissen wie Schmutzfinken. Im Grunde genommen waren sie so unauffällig, daß niemand sie eines zweiten Blickes würdigte, was darauf schließen ließ, daß sie clever waren - und das war ein Problem für mich. Hätten sie
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