Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
was Sache war, und dachte hoffentlich an Frau und Kinder. Ich nahm meine Pistole in die linke Hand, trat einen Schritt auf ihn zu, rammte ihm die Pistolenmündung unter eine Achsel und bohrte sie in den Stoff seines Jacketts. Ich spürte, wie sein Körper sich verkrampfte, und hörte ein halblautes Grunzen.
»Passen Sie auf, ich erkläre Ihnen jetzt ein paar Tatsachen«, sagte ich. »Diese Waffe hängt in Ihrem Jackett fest. Ich habe den Finger am Abzug, und die Waffe ist entsichert. Machen Sie irgendwelchen Scheiß, sind Sie tot. Kapiert?«
Er reagierte nicht.
»Kommen Sie, das ist doch nicht schwierig«, sagte ich. »Haben Sie mich verstanden?«
»Ja.«
»Legen Sie Ihre Hände auf den Kopf.«
Ich nahm ihm mit der rechten Hand die Waffe ab. Meine hatte nur ein Magazin. Er trug eine Sig Kaliber 45 in einem flachen Halfter über seiner rechten Niere und hatte drei Magazine am Gürtel. Die Sig ist eine offizielle FBI-Dienstwaffe.
Er war Mitte Dreißig und hätte jederzeit bei Baywatch mitspielen können: blond, sonnengebräunt,
durchtrainiert, gutaussehend, energisches Kinn. Ich bildete mir ein, deutlich Babyöl zu riechen. Dieser Junge wollte seine Haut geschmeidig halten. Oder vielleicht hatte er ein Baby. Aber wen kümmerte das? Wenn er sich bewegte, war er tot.
Hinter seinem rechten Ohr führte eine weiße Litze zu einem Ohrhörer hinauf.
»Wer sind Sie?« fragte ich ihn, obwohl es mir egal sein konnte, ob er FBI-Agent oder Kriminalbeamter war.
Keine Antwort.
»Hören Sie, ich weiß nicht, was Sie glauben, aber ich habe die Familie Brown nicht ermordet. Ich habe Sie nicht ermordet. Haben Sie verstanden?«
Nichts. Ich wußte, daß ich’s nicht schaffen würde, den Mann von Baywatch zum Reden zu bringen. Außerdem durfte ich meine Zeit nicht mit ihm vergeuden.
Ich nahm ihm sein Funkgerät und die Scheine aus der Geldbörse ab. Ohne die Pistole aus seiner Achsel zu nehmen, flüsterte ich laut über meine Schulter hinweg: »Bleib, wo du bist, Kelly! Keine Angst, ich komme gleich!« Ich packte ihn fester. »Kelly, wir verschwinden, sobald ich mit ihm fertig bin.« Wenn sie glaubten, Kelly sei nach wie vor bei mir, würden sie vielleicht andere Gebiete absuchen.
Ich wandte mich wieder an ihn. »Ich nehme jetzt die Pistole weg«, sagte ich. »Machen Sie keinen Scheiß; das ist diese Sache nicht wert.« Ich zog allmählich die Waffe zurück, blieb aber ständig schußbereit. Dann stand ich hinter ihm und hielt meine Pistole auf seinen Kopf gerichtet. Das wußte er.
»Sie wissen, was ich als nächstes tun muß?« fragte ich.
Ein leichtes, schicksalsergebenes Nicken.
Ich zog ein Winkeleisen von einem Stapel ausgemusterter Regalteile, holte aus und traf ihn damit im Genick. Das genügte, um ihn bewußtlos nach vorn kippen zu lassen. Sicherheitshalber verpaßte ich ihm noch ein paar Tritte an den Kopf und in den Unterleib. Wegen dieser Fußtritte würde er auch nicht zorniger auf mich aufwachen; vermutlich wollte er mich ohnehin schon umbringen. Aber ich mußte verhindern, daß er seine Kollegen alarmierte. Ein Profi wie dieser Junge erwartete gar nichts anderes; wären unsere Rollen vertauscht gewesen, hätte er mich flachgelegt. So war er für etwa zehn Minuten außer Gefecht, und mehr Zeit brauchte ich nicht.
Ich kam hinter dem Auto hervor und sah mich um. Kein Mensch in Sicht. Ich rannte zu dem Bürocontainer, neben dem ein großer Müllbehälter stand, den ich als Sprungbrett benutzen konnte. Ich sprang, warf meine Arme hoch und bekam die Oberkante des Containers zu fassen. Dann zog ich mich hinauf. Von dort aus konnte ich den Fünfmeterzaun leicht überklettern.
Ein Wegweiser zeigte zum Maylords Boardwalk. Ich lief nach links, rannte das grasbewachsene Bankett entlang und erreichte einen weiteren Parkplatz. Dort steuerte ich sofort auf den Boardwalk zu, weil er Deckung versprach. Ich suchte eine Toilette, und mit etwas Glück würde sich zeigen, daß die Passage einen zweiten Ausgang hatte.
Der Boardwalk schien eine auf Schuhe und Glückwunschkarten spezialisierte Einkaufspassage zu sein. Ihren Toilettenblock fand ich im ersten Drittel der Passage neben dem Coffee Shop. Ein Blick nach vorn zeigte mir, daß die Passage einen zweiten Ausgang hatte. Ich verschwand auf der Herrentoilette.
Zwei Männer, die auf der Toilette gewesen waren, wuschen sich gerade die Hände. Ich betrat eine der Kabinen und setzte mich aufs Klo, während ich darauf wartete, daß meine Atmung sich wieder beruhigte.
Dabei
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