Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Bildschirm. Die erste Karte enthielt nur eine Serie von Zahlen in Fünfergruppen; ich schloss sie wieder und nahm sie heraus. Die zweite Karte enthielt eine Liste von Wörtern, denen jeweils eine
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Zahlengruppe zugeordnet war. Alles in Ordnung.
»Die Kontaktnummer lautet …« Lynn rasselte eine
Londoner Telefonnummer herunter. Als Bestandteil meiner Legende enthielt der Psion alle möglichen Namen und
Telefonnummern – vom Filialleiter der Bank bis zur dortigen Pizzeria. Ich klickte die Datei Neu an, tippte die Telefonnummer gleich ein und fügte als Adresse wie immer
»Kay’s Sweet Shop« hinzu. Dabei glaubte ich zu spüren, dass Elizabeth mich von hinten mit Blicken durchbohrte. Ich drehte mich um. Sie hatte ihre Zeitung sinken lassen und starrte mich missbilligend an, weil es ihr offenbar nicht passte, dass ich die Kontaktnummer in meinem 3C speicherte. Aber ich konnte sie mir unmöglich so schnell merken; ich würde sie mir später in einer ruhigen Minute einprägen und anschließend aus dem Psion löschen. Ich gehörte nicht zu den Leuten mit der Fähigkeit, sich Telefonnummern oder geografische
Koordinaten, die ihnen genannt wurden, sofort merken zu können.
Lynn machte mit den Details weiter. »In Washington setzen Sie sich gleich mit Michael Warner in Verbindung.« Er nannte mir seine Telefonnummer, die ich ebenfalls eintippte. »Ein guter Mann, war früher in der Nachrichtenabteilung, aber dann hatte er einen Verkehrsunfall und trägt seitdem eine Stahlplatte im Schädel.«
Ich schaltete den Psion aus. »Was macht er jetzt?«
Elizabeth war mit dem Sportteil fertig und wandte sich jetzt den Aktienkursen zu. Der Fahrer hatte noch immer nicht umgeblättert. Er lernte entweder das Rezept des Tages auswendig oder war in eine Trance verfallen.
»Er ist Sarahs Assistent«, sagte Lynn. »Er lässt Sie in ihre 112
Wohnung.«
Ich nickte. »Was erzähle ich ihm?«
Lynn sah ungeduldig auf seine Uhr; vielleicht war er zum Squashen verabredet. »Er weiß nur, dass London ihre
Geheimhaltungsmaßnahmen kontrollieren muss, während sie dienstlich unterwegs ist. Ihre nächste PS ist bald fällig.«
Diese persönlichen Sicherheitsüberprüfungen finden alle paar Jahre statt, um beispielsweise sicher zu stellen, dass man nicht erpressbar geworden ist, nicht mit dem chinesischen Militärattaché schläft – außer auf Anweisung Ihrer Majestät Regierung – und sich keiner extremistischen Splitterpartei angeschlossen hat. In der Vergangenheit hatten solche Dinge kaum eine Rolle gespielt. Und sobald man als Festangestellter
»drin« war, schien alles ohne größere Kontrollen zu laufen.
Am unteren Ende der Nahrungskette – an meinem Ende – sah die Sache jedoch ganz anders aus.
»Er ist manchmal ein bisschen komisch; sie müssen Geduld mit ihm haben.« Lynn begann zu lächeln. »Er konnte nicht mehr in der Nachrichtenabteilung arbeiten, weil seine Stahlplatte bestimmte Frequenzen aufnimmt und er davon schlimme Kopfschmerzen bekommt. Aber er macht seine
Arbeit gut.« Das Lächeln verschwand, als Lynn nachdrücklich hinzufügte: »Und er ist unbedingt loyal, was noch wichtiger ist.«
Ich zuckte mit den Schultern. »In Ordnung.« Metal Mickey war vermutlich vor allem deshalb loyal, weil er keine andere Arbeit finden konnte – außer vielleicht als Relaisstation in einem Mobilfunknetz.
Ich packte alles wieder in die Reisetasche. Ich konnte es kaum noch erwarten, wieder an die frische Luft zu kommen; 113
ich hatte es satt, mich von diesen Leuten unter die Lupe nehmen und herumkommandieren zu lassen. Aber Lynn war noch nicht fertig. Er hielt mir einen Vordruck unter die Nase, den ich unterschreiben musste – die Empfangsbestätigung für die Codes. Ich lieh mir seinen Füller, kritzelte meine Unterschrift auf den Wisch und gab beides zurück.
Unabhängig davon, was passiert, muss man trotzdem für jede Kleinigkeit unterschreiben. Jeder hat das Bedürfnis, sich auf diese Weise Rückendeckung zu verschaffen.
Ich griff nach dem Hebel der Schiebetür, öffnete sie und nahm die Reisetasche mit. Als meine Füße auf dem Beton des Parkdecks standen, fragte ich: »Was ist, wenn ich sie nicht finden kann?«
Elizabeth ließ ihre Zeitung sinken und bedachte mich mit einem Blick wie vorhin unsere Freunde mit dem Ford Escort.
Lynn sah erst zu ihr hinüber, bevor er sich an mich wandte.
»Dann sollten Sie sich einen guten Anwalt besorgen.«
Ich hob die Reisetasche aus dem Van, wandte mich ab und ging in
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