Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
bis auf fünfundzwanzig Meter an das Haus heran.
Hier hörten die Bäume auf, und der »Garten« begann – eine von hohem Gras überwucherte Fläche, die mit Baumstümpfen durchsetzt war, die bei der Rodung des Waldes für den Hausbau nicht abgefräst worden waren. Von dieser Stelle aus konnte ich die gesamte dem Wasser zugekehrte Seite des Hauses sowie das Boot und den See überblicken.
Ich begutachtete die drei Geschosse und darunter die Garage, deren Torflügel noch immer nur angelehnt waren, damit der Geländewagen darin Platz hatte. Hinter einem Fenster im Erdgeschoss brannte Licht, aber schwere Vorhänge ließen nur wenig davon nach draußen. Bewegungen waren erst recht keine zu erkennen. Im Erdgeschoss sah ich auch eine Tür, die vermutlich in die Garage führte.
Im ersten Stock wurde Licht gemacht. Auch dort war keine Bewegung zu erkennen.
Eine Minute später hörte ich das Rauschen einer
Klospülung. Also musste jemand im Haus sein – außer die Spülung wurde wie die Beleuchtung durch irgendeine
Schaltuhr in zuvor eingestellten Intervallen betätigt. Das hielt ich für unwahrscheinlich; vielleicht anderswo, aber nicht hier in der Wildnis.
Dann sah ich mich nach einem Platz um, an dem ich mich eingraben konnte, bevor es hell wurde. Ich fand einen, der geeignet zu sein schien – ein etwas vor den Bäumen stehender Busch. Er war etwa brusthoch, gut zwei Meter breit und von 208
weiteren kleinen Büschen umgeben. Anscheinend ideal, aber ich würde erst prüfen müssen, ob das Ziel noch zu sehen war, wenn ich mich darunter eingrub. Jeder, der schon mal solche Beobachtungen durchgeführt hat, kann Horrorgeschichten erzählen, wie er sich im Schutz der Dunkelheit eingegraben hat und bei Tagesanbruch feststellen musste, dass er außer Erde nichts sehen konnte. Als ich den Busch erreichte, legte ich mich davor auf den Bauch und sah zum Haus hinüber. Ich konnte nur den zweiten Stock sehen – das war nicht genug.
Ich schlich etwas weiter den Hügel hinauf. Dort rückten die Bäume bis auf zwanzig Meter ans Haus heran, was ich
eigentlich nicht wollte. Aus dieser Nähe würde ich zwar hören können, ob jemand im Haus schnarchte, aber zugleich war die Gefahr groß, dass ich mich durch ein Geräusch verriet. Ich bewegte mich wieder in Richtung See.
Ungefähr dreißig Meter vom Haus entfernt stieß ich auf einen weiteren Busch, aber dieser war nur hüfthoch. Er war ebenfalls gut zwei Meter breit, schien aber weniger dicht belaubt zu sein. Allmählich gingen mir die Alternativen aus.
Ich legte mich probeweise darunter und stellte fest, dass ich von dort aus den ganzen Krempel sehen konnte – alle drei Geschosse, die Garage, die zur Garage führende Seitentür und den See. Außerdem leuchteten die fernen Lichter des
Zeltplatzes herüber, was bedeutete, dass ich tagsüber würde beobachten können, was sich auf dem Parkplatz abspielte. Hier würde ich also bleiben müssen.
Ich verschwand hinter dem Busch, um vom Haus aus
unsichtbar zu sein. Als Nächstes musste ich kontrollieren, ob mein Mobiltelefon hier ein Netz fand. Falls ich sie sah, würde London davon erfahren müssen. Konnte ich mein Mobiltelefon 209
nicht benutzen, musste ich den ganzen Tag hier ausharren und konnte erst abends verschwinden, um einen Ort zu suchen, an dem das Mobiltelefon funktionierte, oder zur nächsten Telefonzelle zu fahren. Dabei wäre ich nicht nur in Gefahr gewesen, entdeckt zu werden, sondern hätte das Ziel auch längere Zeit aus den Augen lassen müssen.
Ich schaltete das Bosch ein, hielt eine Hand über das beleuchtete Display und wartete. Ich ließ dem Gerät eine Minute Zeit und beobachtete dabei das Haus. In der Toilette war es wieder dunkel, aber das Licht im Erdgeschoss brannte weiter. Ich wölbte meine Handfläche etwas, um das
beleuchtete Display sehen zu können. Die Signalstärke wurde durch drei von vier möglichen Balken anzeigt, was völlig ausreichte. Ich schaltete das Telefon wieder aus.
Dann blieb ich weitere fünf Minuten sitzen, um ein Gefühl für meine Umgebung zu bekommen. Im Haus ging jemand an dem Vorhangspalt vorbei. Ich wusste nicht, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war.
Die Temperatur war um einige Grad zurückgegangen. Da ich mich nicht mehr bewegte, kam mir die Nacht recht frisch vor. Nicht wirklich kalt, aber überall dort, wo ich geschwitzt hatte – am Haaransatz und entlang der Wirbelsäule –, merklich kühl. Meine noch immer nassen Jeans fühlten sich
unangenehm an, aber sie
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