Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
wegrennen und hoffen müssen, dass die beiden Kerle nicht bewaffnet waren. Ich vergewisserte mich im Geiste, dass ich alle wichtigen Dinge in meinen Taschen hatte.
Sie blieben stehen. Sie wechselten noch ein paar Worte, dann nahm Men in Black einen letzten Zug von seiner
Zigarette, ließ sie achtlos zu Boden fallen und trat sie aus. Er hatte das Schild, das ihn aufforderte, nur Fußspuren zu hinterlassen, offenbar nicht gelesen.
Die beiden machten ungefähr zehn Meter vor meinem
Posten kehrt und gingen den Hügel zur Zufahrt hinter dem Haus hinauf. Sie hatten nur den bequemsten Weg gewählt, denn auf der anderen Seite des Hauses stieg das Gelände steiler an. Der mickrige Kleine ging voraus.
Als ich sie zur Zufahrt hinaufgehen sah, wurde mir klar, dass sie die Umgebung des Hauses kontrollierten. Sie hielten 224
Ausschau nach irgendwelchen Spuren nächtlicher Besucher.
Sie verließen die Zufahrt, kamen wieder den Hügel herunter und hielten dabei auffällig Abstand vom Haus. Das konnte nur bedeuten, dass es hier Annäherungsmelder gab. Außer den mit Scheinwerfern gekoppelten Bewegungsmeldern mussten am Haus Sensoren installiert sein, die bei jeder Annäherung Alarm auslösten. Aus der Route der beiden Kerle schloss ich, dass die von Annäherungsmeldern überwachte Zone rund um das Haus zwölf bis fünfzehn Meter breit sein musste.
MiB zündete sich die nächste Zigarette an, als sie wieder die Zufahrt erreichten, und verschwand dann, noch immer mit seiner Gebetskette spielend, hinter dem Haus. Ich nutzte diese Unterbrechung, um die Kamera, das Zweigbündel hinter mir und den sicheren Verschluss meiner Taschen zu überprüfen.
Nach vier Minuten kamen die beiden auf der anderen Seite des Hauses – der dem See zugekehrten Seite – zum Vorschein und gingen zu dem auf seinem Trailer liegenden Boot. Sie kletterten hinein, ließen den Motor an und gaben Gas, bis er blaue Zweitaktschwaden aus dem Auspuff pumpte. Dann
stellten sie den Motor ebenso plötzlich wieder ab, sprangen heraus und verschwanden eifrig redend durch die Lücke zwischen den beiden Flügeln des Garagentors. Wenig später hörte ich den Motor des Geländewagens anspringen. Er konnte nicht wegfahren, weil das Boot noch vor der Garage stand. Das zeigte mir, dass die Jungs ihre Sache verstanden: Sie kontrollierten alles – auch ihre Fluchtfahrzeuge für den Fall, dass sie schleunigst abhauen mussten.
Der Motor wurde abgestellt, und dann blieb es still. Die beiden kamen nicht wieder zum Vorschein.
Ich wusste jetzt, dass sich im Haus mindestens zwei Männer 225
aufhielten, und ich wusste auch, dass es einen direkten Zugang vom Haus zur Garage geben musste.
Das war’s dann für die nächsten Stunden. Ich lag einfach nur da, beobachtete das Haus und versuchte, jeweils einem Auge etwas Ruhe zu gönnen. Ab und zu hörte ich hinter mir ein Boot über den See tuckern, und im Haus wurde einige Male die Klospülung betätigt. Aus der Ferne kam manchmal das Geschrei am Wasser spielender Kinder herüber, aber ansonsten war nichts Ungewöhnliches zu hören.
Um 10.15 Uhr beobachtete ich, wie Mom, Dad und ihre
beiden Söhne aus dem Nachbarhaus ihr Boot zu Wasser ließen und auf den See hinausfuhren. Damit konnte ich sie für heute vermutlich abschreiben. Nun, zumindest bis es zu regnen begann.
Danach passierte überhaupt nichts mehr. Es wurde Zeit für Pizza und Mars-Schokoriegel.
Gegen halb zwölf fiel mir auf, dass ein Flügel des Garagentors sich bewegte. Ich stopfte mir hastig das letzte Stück des dritten Mars-Riegels in den Mund und legte meinen Daumen auf den Drahtauslöser.
MiB kam ins Freie. Ich behielt ihn im Auge, schwenkte dabei die Kamera etwas nach rechts und wünschte mir, ich hätte ein Objektiv mit kürzerer Brennweite. Er ging nach vorn zur Deichsel des Bootsanhängers und blieb an der Kupplung stehen. Ich hatte den Eindruck, er warte auf etwas; tatsächlich sprang wenig später der Motor des Geländewagens an.
Dann kam Sarah heraus. Also doch! Sie trug Jeans und ein blaues Sweatshirt mit dem Quicksilver-Logo auf dem Rücken.
Ich erkannte sie an ihrem Gang, erinnerte mich sogar an ihre 226
Wanderstiefel. Sie blieb stehen und sah zum Himmel auf. Ja, es würde regnen. Ich betätigte den Drahtauslöser und hoffte, dass ich sie gut erwischt hatte. In diesem Fall war mein Auftrag praktisch zu Ende. Es war merkwürdig, sie nach so langer Zeit auf diese Weise wieder zu sehen. Sie sah genau wie auf dem Foto in ihrem Apartment aus – nur
Weitere Kostenlose Bücher